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»Das stärkste Signal ist konsequente Abrüstung«

Interview der Woche von Jan van Aken,

Jan van Aken über außenpolitische Konstellationen nach der Wiederwahl von Barack Obama, den Nahost-Konflikt, den französischen Einsatz in Mali, die Stationierung deutscher Patriots sowie Soldaten an der syrischen Grenze und warum ein Stopp deutscher Waffenexporte ein starkes Signal für Frieden in einer kriegerischen Welt wäre


Präsident Barack Obama hat seine zweite Amtszeit angetreten. Was erwarten Sie von ihm mit Blick auf die US-Außenpolitik angesichts vieler Krisenherde in der Welt?

Jan van Aken: Obama will früher als geplant große Kontingente der US-Kampftruppen aus Afghanistan abziehen und auch keine Truppen nach Mali schicken. Man sollte das aber nicht als Zeichen für eine Neuausrichtung der US-Außenpolitik missverstehen – so gehen zum Beispiel die gezielten Tötungen mit Drohnen ungehemmt weiter. Eher sind innenpolitische Gründe für einige Veränderungen verantwortlich. Ich denke Obama wird auch in seiner zweiten Amtszeit ähnlich kriegerisch weitermachen wie bisher. Ich erwarte nicht, dass er sich jetzt noch nachträglich den Friedensnobelpreis verdienen wird.

Sprengstoff birgt der Nahe Osten – Bürgerkrieg in Syrien, der Atomstreit mit Iran und der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Wie kann Europa verantwortungsvoll Politik machen, ohne gleich zwischen allen Stühlen zu sitzen?

Ein erster Schritt wäre sicher, die Eskalationspolitik zu beenden. Die harten Sanktionen gegen den Iran im Atomstreit werden den Konflikt nicht beenden, sondern ihn nur verschärfen. Der NATO Einsatz mit Patriot-Raketen in der Türkei eskaliert den Konflikt in Syrien und löst ihn nicht. Das heißt keinesfalls, zu den Konflikten zu schweigen, sondern auf der Grundlage der UN-Charta zu handeln, und nicht mit NATO-Militäreinsätzen oder EU-Sanktionen. Sowohl die Resolutionen der UN zum Israel-Palästina Konflikt und der Zwei-Staaten-Lösung als auch die Vorschläge des UN-Sondergesandten Brahimi für eine Dialoglösung in Syrien sollten die Grundlage für das Handeln der EU sein.

Welche Rolle sollte Deutschland dabei spielen?

Das stärkste Signal, das Deutschland senden kann, ist konsequente Abrüstung und ein Stopp aller Waffenexporte. Es ist wirklich ein Graus zu sehen, wie diese Bundesregierung immer noch Despoten mit der modernsten Waffentechnik aufrüstet! Und Deutschland könnte in einigen Konflikten – ganz besonders zum Beispiel im Atomstreit mit Iran zum Beispiel – eine Vermittlerrolle einnehmen.

In diesen Tagen sollen die deutschen Patriot-Luftabwehrraketen in der Türkei an der Grenze zu Syrien einsatzbereit sein. Welche Risiken birgt der NATO-Einsatz?

Die Stationierung der Patriots ist brandgefährliche Symbolpolitik. Der Türkei wird damit indirekt ein Okay für ihre Einmischung in den innersyrischen Konflikt gegeben. Alle Beteiligten wissen, dass die Türkei nicht von Syrien bedroht wird. Deshalb machen die Patriots, die ja vor Raketenangriffen schützen sollen, militärisch gar keinen Sinn. Wenn sich jetzt der syrische Bürgerkrieg ausweitet, oder wenn Israel iranische Atomanlagen angreift, dann stehen plötzlich deutsche Soldaten mitten in einem Nahost-Krieg.

In Mali setzt Frankreich seine Offensive gegen islamistische Terroristen fort. Deutschland hilft mit zwei Transportflugzeugen. Warum lehnt DIE LINKE den Militär-Einsatz ab?

Die Ursachen der Krise in Mali werden nicht beseitigt, sondern verschärft. Bislang setzen sich  die bewaffneten Gruppen vor allem aus Maliern zusammen, mit denen ein Interessenausgleich ausgehandelt werden kann. Es sind nicht alles islamistische Terroristen, diese Sichtweise ist zu verkürzt. Mit der Intervention Frankreichs wird ein neuer Kriegsschauplatz aufgemacht, der lang andauern kann und vor allem großes Leid für die Bevölkerung bringt. Die bewaffneten Gruppen werden sich in einem Guerillakrieg lange halten und sie werden Nachschub an Waffen und Kämpfern aus dem Ausland bekommen. Dieser Militäreinsatz wird unweigerlich zum Bumerang, weil er die Kräfte stärkt, die man vorgibt bekämpfen zu wollen. Das bestätigen die Erfahrungen aus  Afghanistan und Somalia.  Am schlimmsten aber ist, dass es bisher vertan wurde, auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden – die Bereitschaft dazu gab es, zumindest bei einigen der Rebellengruppen im Norden Malis.

Stecken andere Interessen als der vermeintliche Schutz vor Terroristen hinter dem französischen Einsatz?

Frankreich hat natürlich handfeste Interessen, die mit Demokratie und Freiheit für die Menschen in Mali wenig zu tun haben. Man darf nicht vergessen, dass die ehemalige Kolonialmacht bis heute großen Einfluss in der Region hat, viele französische Staatsbürger leben in Mali. Und französische Firmen bauen Uran im benachbarten Niger ab – eine Destabilisierung der Region, deren Landesgrenzen sehr durchlässig sind, würde Frankreich vor allem wirtschaftlich schaden. 

In dieser Woche opponiert DIE LINKE wieder mit einem Antrag gegen die deutschen Rüstungsexporte in alle Welt. Die Regierung Merkel liefert weiter Panzer und Waffen in Krisenregionen und in Diktaturen. Gibt es bei den Rüstungsexporten einen Paradigmenwechsel, eine Merkel-Doktrin?

Es ist schon erschreckend, wie sowohl Merkel als auch der Verteidigungsminister de Maiziere offener denn je für den weltweiten Einsatz deutscher Bundeswehrsoldaten, eigener Kampfdrohnen und einen Ausbau der Rüstungsexporte werben. Aber im Prinzip machen sie nur da weiter, wo die Vorgänger-Regierungen aufgehört haben – vielleicht nur noch etwas enthemmter. Neu ist allenfalls, dass offener darüber gesprochen wird, als gelte es, Tabus zu brechen.  Das ist auch eine Strategie, die deutsche Bevölkerung an die weltweiten kriegerischen Unternehmungen zu gewöhnen – solange, bis es fast schon als normal gilt. Aber das werden wir zu verhindern wissen.

Sind Entwicklungen innerhalb der Rüstungswirtschaft dafür verantwortlich, weshalb die Bundesregierung vermehrt in Drittstaaten liefert?

Ja, natürlich. Aber wirtschaftliche Interessen sind nur der eine Grund für Waffenexporte. Der andere ist eiskalte Berechnung: Waffenexporte als Mittel der Außenpolitik, um Partnerschaften und freundschaftliche Beziehungen zu hegen und pflegen.

Ihre Reden im Bundestag beenden Sie immer mit dem Satz: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte." Haben Sie jenseits der LINKEN im Bundestag Mitstreiter für dieses Ziel?

Ich denke, dass es in den anderen Parteien eine ganze Reihe Abgeordnete gibt, die diese Forderung klammheimlich teilen, nur dürfen sie das nicht laut aussprechen. Auch unter Rot-Grün sind über viele Jahre die Waffenexporte gestiegen. Die SPD protestiert jetzt zwar häufiger gegen Waffenexporte – aber bei Abstimmungen im Bundestag setzt sie sich nur dafür ein, dass alles bleibt, wie es ist. Auch die Grünen können sich nicht zu einem Verbot von Waffenexporten – nicht einmal von den besonders gefährlichen Kleinwaffen – durchringen. Am Ende wird es der wachsende Druck aus der Bevölkerung sein, der den Ausschlag geben wird. Ich habe deswegen alle Hoffnung, dass wir zu echten Verboten kommen und Deutschland seine Waffenexporte beendet.

linksfraktion.de, 28. Januar 2013