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Das Rentenpaket der Bundesregierung: Manches wird besser, aber nichts wird gut!

Im Wortlaut von Matthias W. Birkwald,

In der vergangenen Woche ist der Referentenentwurf zu den Rentenreformen der Regierung bekannt geworden. Am heutigen Montag findet im Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Anhörung von Sozialverbänden, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden dazu statt. Diese hatten zwei (!) Tage Zeit, eine Stellungnahme einzureichen. Als Oppositionspartei ist DIE LINKE nicht zu dieser Anhörung eingeladen, bezieht aber gleich wohl deutlich Stellung.

Von Matthias W. Birkwald, Rentenexperte und für DIE LINKE Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales, und Katrin Mohr
 

Arbeit an Teilbaustellen – Gesamtarchitektur weiter gefährdet

Das Rentenpaket der Bundesregierung bringt tatsächlich eine Reihe von Leistungsverbesserungen, die in die richtige Richtung gehen. Die zentralen rentenpolitischen Ursachen sinkender Renten und steigender Altersarmut – das dramatisch sinkende Rentenniveau und das steigende Renteneintrittsalter für Alle – werden von der großen Koalition mit dem Rentenpaket nicht angegangen.

Darin liegt das eigentliche Problem dieses Gesetzesentwurfs. Wegen der falschen und ungerechten Finanzierung der so genannten „Mütterrente“ aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt kein Geld mehr für andere dringend notwendige Leistungsverbesserungen wie der Wiederanhebung des Rentenniveaus, der Abschaffung der Rente erst ab 67 und dringend notwendiger weitergehender Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten übrig. Die Altersarmut wirksam zu bekämpfen wird dadurch auf Jahre hinaus unmöglich gemacht. Die große Koalition widmet sich Teilbaustellen, während die Gesamtarchitektur des Rentensystems ins Wanken gerät. Die Maßnahmen der Bundesregierung befördert diesen Prozess sogar noch.

Die Ostdeutschen bleiben nach wie vor benachteiligt:

Es sind weder dieselben Rentenpunkte für Mütter (oder Väter) wie im Westen vorgesehen, noch wird bei der „Rente ab 63 bzw. 65“ dem massenhaften Schicksal Langzeitarbeitsloser nach der Wende Rechnung getragen.

Das will DIE LINKE: Wir brauchen endlich eine grundlegende Rentenreform mit folgenden Schwerpunkten:

  • Die gesetzliche Rente soll wieder den Lebensstandard sichern,
  • ein realistisches Rentenalter für alle Beschäftigten, mit flexiblen Übergängen für die, die lange gearbeitet haben oder nicht mehr können,
  • die rasche Angleichung der Ostrenten an das Westniveau und
  • eine Solidarische Mindestrente, die im Alter ein Leben in Würde ermöglicht.
     

Rente ab 63 - Etikettenschwindel mit harten Ausschlusskriterien - Langzeiterwerbslose gehen leer aus

Ein zentrales Element des Gesetzentwurfs ist der vorgezogene abschlagsfreie Rentenzugang für „besonders langjährig Versicherte“, der unter dem Stichwort „Rente ab 63“ (oder sprachlich falsch: „Rente mit 63“) diskutiert wird. Hier ist geplant, Versicherten mit 45 Jahren Wartezeit einen abschlagsfreien Rentenzugang ab 63 Jahren zu ermöglichen. Die Grenze wird jedoch ab dem Jahrgang 1953 (ab 2016) in Zweimonatsschritten auf 65 Jahre angehoben werden. Die Rente ab 63 gilt also nur für die Altersjahrgänge 1951-1952, danach wird daraus eine „Rente 63 plus“ und schließlich wieder eine „Rente ab 65“. Letztere gibt es nämlich bereits heute für jene, die die langen Wartezeiten erfüllen. Für alle anderen wird es dauerhaft beim Rentenkürzungsprogramm der Rente erst ab 67 bleiben.

Zu den Wartezeiten zählen Pflichtbeiträge aus Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit, Pflege und Kindererziehung (bis zehn Jahren). Zeiten der Arbeitslosigkeit werden zwar auch berücksichtigt, aber nur wenn sie kurzzeitig waren, das heißt Zeiten des Arbeitslosenhilfe- und des Hartz IV-Bezugs zählen nicht mit. Damit haben Langzeiterwerbslose kaum eine Chance, die „Rente ab 63/65“ zu erreichen. Insbesondere die Menschen im Osten, die nach der Wende häufig langzeitarbeitslos waren, würden erneut benachteiligt.

DIE LINKE kritisiert:

Es ist zwar völlig richtig, besonders langjährig Versicherten einen früheren abschlagsfreien Rentenzugang zu ermöglichen. Aber: Es ist falsch, Langzeiterwerbslosen diese Chance zu verwehren und die Altersgrenze auf 65 anzuheben. Denn nur etwa ein Drittel erfüllt die Bedingungen für die Rente für besonders langjährig Versicherte, bei den Frauen nur knapp 14 Prozent. Von denen, die weiter machen müssen, sind aber mit 64 Jahren nur etwa 15 Prozent noch in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Für sie bedeutet die Anhebung des Rentenalters bis zu 67 Jahren weiterhin steigende Abschläge und Altersarmut in Kauf nehmen zu müssen. Falsch ist auch, die Rente ab 63 schrittweise auf 65 Jahre anzuheben. Wer so lange gearbeitet hat, ist oft kaputt oder an seiner Grenze gelangt und muss deutlich vor dem 65. Geburtstag in Rente gehen können.

Das will DIE LINKE: Die Rente erst ab 67 muss abgeschafft werden. Ohne Wenn und Aber! Spätestens ab 65 sollen Alle in Rente gehen können, belastete Beschäftigte deutlich früher. Wir wollen Menschen, die sehr lange gearbeitet haben (40 Beitragsjahre inklusive gleich gestellter Zeiten) eine abschlagsfreie Rente ab 60 Jahren ermöglichen. Dann könnten die Krankenschwester und der Fliesenleger nach 40 Jahren harter Arbeit ihren wohlverdienten Ruhestand genießen.
 

„Mütterrente“: Weiterhin keine Gleichheit, falsche Finanzierung

Frauen (und Männern), die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, soll pro Kind ab dem 01. Juli 2014 ein zusätzlicher Entgeltpunkt als Zuschlag zur Rente ausgezahlt werden. Das macht im Westen gut 28 Euro, im Osten aber nur knapp 26 Euro mehr Rente pro Monat und Kind. Die Kosten von ca. 6,5 Milliarden Euro pro Jahr will die Regierung bis 2019 aus Beitragsmitteln der Rentenversicherung finanzieren. Danach soll es einen zusätzlichen Bundeszuschuss von 400 Millionen Euro geben, der bis 2022 auf zwei Milliarden Euro pro Jahr ansteigen soll.

DIE LINKE kritisiert:

Der zusätzliche Entgeltpunkt bei den Kindererziehungszeiten führt zwar zu einer Besser-, aber nicht zu der eigentlich gebotenen Gleichstellung. Jedes Kind muss der Gesellschaft gleich viel wert sein. Auch auf dem Rentenkonto von Mutter oder Vater. Egal, ob es 1960 oder 2010, in Dresden oder in Köln geboren wurde.

Die sogenannte Mütterrente aus Rentenbeiträgen zu finanzieren ist grottenfalsch und ungerecht! Als familienpolitische Leistung muss sie aus Steuern finanziert werden! Sonst zahlt die ALDI-Kassiererin die bessere Rente der Mutter eines Bundestagsabgeordneten oder einer Rechtsanwaltsgattin mit. Die zahlen aber für die Rente der Mutter der ALDI-Kassiererin keinen müden Cent. Wenn die Mütterrente aus Beiträgen bezahlt wird, bleibt außerdem kein Geld mehr für andere dringend notwendige Rentenreformen übrig. Selbst wenn der von Ministerin Andrea Nahles angekündigte zusätzliche Bundeszuschuss ab 2019 kommen sollte, bliebe die Mütterrente noch mit sechs, später dann mit vier Milliarden pro Jahr unterfinanziert. Das sind Milliarden, die für dringend notwendige Leistungsverbesserungen fehlen: Die Stabilisierung und Anhebung des Rentenniveaus, die Aussetzung und Abschaffung der Rente erst ab 67 und die vollständige Streichung der Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten. Diese Reformen sind dringend notwendig, um die massenhaft drohende Altersarmut zu verhindern und den Lebensstandard wieder zu sichern.

Das will DIE LINKE: Wir fordern drei Entgeltpunkte (West) für jedes Kind (2013: gut 84 Euro monatlich) gleich welchen Alters und welcher regionalen Herkunft in der Rente anzuerkennen. Finanzieren wollen wir dies aus einer sozial gerechten Steuerreform, die unter und mittlere Einkommen entlastet und Besserverdienende und Vermögende stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heran zieht.  
 

Erwerbsminderungsrente: Die Abschläge bleiben

Die Erwerbsminderungsrenten befinden sich seit Jahren im Sinkflug. Die Bundesregierung will nun die sogenannte Zurechnungszeit um zwei Jahre in einem Schritt verlängern und eine Günstigkeitsprüfung der letzten vier Jahre vor der Erwerbsunfähigkeit einführen. Nach Angaben der Bundesregierung bringt das den Erwerbsminderungsrentner_innen ca. 40 Euro mehr. Immerhin.

DIE LINKE kritisiert:

Krankheit darf niemals zum sozialen Abstieg führen! Die Hauptursache für die beschämend niedrigen Erwerbsminderungsrenten sind die hohen Abschläge. 96 % aller neuen Erwerbsminderungsrentner_innen sind davon betroffen und zwar meist mit der Höchststrafe von 10,8 Prozent., Das sind im Durchschnitt 78 Euro. Elf Prozent mussten 2012 direkt Grundsicherung beantragen und auf Sozialhilfeniveau leben! Deshalb ist jede Verbesserung dringend notwendig! Die Bundesregierung lässt aber die ungerechten Abschläge weiter bestehen. Damit kommt kaum jemand aus der Grundsicherung bei Erwerbsminderung heraus. Das ist durch nichts zu rechtfertigen!

Das will DIE LINKE: Die Zurechnungszeiten müssen in einem Schritt um drei und nicht nur um zwei Jahre verlängert werden. Denn erst hier ist für die Allermeisten der Eintritt in eine Altersrente frühestens möglich. Und vor allem müssen die ungerechten und systemwidrigen Abschläge weg! Und zwar komplett. Denn: Keiner wird freiwillig krank. Und darum darf niemand mit Abschlägen bestraft werden. Beide Maßnahmen zusammen würden den Betroffenen im Durchschnitt 100 Euro mehr bringen und würden ihre Situation deutlich stärker verbessern.
 

Reha-Budget: Der Deckel atmet zwar, aber er bleibt

Das Budget der Rentenversicherung für Leistungen der beruflichen Teilhabe ist momentan nach oben „gedeckelt“. Das bedeutet: Wenn der finanzielle Deckel erreicht ist, erhalten viele Menschen, die sie dringend bräuchten, keine Rehabilitationsmaßnahme. Durch die Festschreibung einer demographischen Komponente im Anpassungsmechanismus soll nun der finanzielle Mehrbedarf aufgefangen werden, der dadurch entsteht, dass die geburtenstarken Jahrgänge zunehmend ins Reha-intensive Alter kommen.

DIE LINKE kritisiert:
2012 wurde ein Fünftel aller Anträge auf medizinische Rehabilitationsleistungen abgelehnt, bei beruflicher Reha war es sogar ein Viertel. Das ist beschämend! Der Reha-Deckel wird aber nur leicht gelüftet, nicht abgeschafft. Das reicht nicht. Überhaupt nicht!

Das will DIE LINKE: Das Reha-Budget soll konsequent am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden. Das ist dringend nötig, damit alle  Beschäftigten so gut unterstützt werden, gesund und in Arbeit altern zu können – auch bei einem Rentenalter von 65 Jahren. Das wäre der richtig Weg.