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Das haben wir ver.dient!

Im Wortlaut von Jutta Krellmann,

 

Von Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion

 

In diesen Tagen nähert sich der vierte Verdi-Bundeskongress seinem Ende. Hinter den über tausend Delegierten liegen ereignisreiche Tage. Die Kanzlerin kam zu Besuch, Ver.di-Chef Frank Bsirske wurde mit großer Mehrheit als Vorsitzender wiedergewählt und ein Mitgliederzuwachs ist auch zu verzeichnen. Damit blickt Ver.di diese Woche auch auf fünf turbulente Jahre zurück, in denen die zweitgrößte DGB-Mitgliedsgewerkschaft ordentlich was zu tun hatte: Streiks im Einzelhandel, die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst, Arbeitskämpfe in der Berliner Charité sowie der Deutschen Post. Noch nicht entschieden sind dagegen die Tarifauseinandersetzungen bei Amazon sowie bei den Sozial- und Erziehungsberufen. Der Kongress markiert daher auch kein vorläufiges Ende von Arbeitskämpfen, im Gegenteil. Er dient als Auftakt für einen heißen Herbst. Und das nicht ohne Grund!

Don’t panic - Organize!

Denn die Dienstleistungsgewerkschaft gewinnt in diesen Zeiten immer mehr an Bedeutung. Die Digitalisierung der Arbeit sowie der Trend zu Spezialisierung von Unternehmen bringen immer schneller neue Berufe, wie etwa App-Entwickler hervor, deren gewerkschaftliche Zuordnung fast ausnahmslos bei Ver.di liegt. Gleichzeitig sind gerade diese Berufsfelder vor allem im Niedriglohnbereich angesiedelt und fallen mit einem Heer an ehemals gut situierten, heute in die prekäre Beschäftigung gedrängten Beschäftigten, wie aus dem Einzelhandel oder den Sozial- und Erziehungsberufe zusammen. Tarifrunden und Arbeitskämpfe als Kerngeschäft deutscher Gewerkschaften zeichnet in den letzten Jahren vermehrt eine Besonderheit aus: Statt zu Zeiten der „Sozialpartnerschaft“ stetig mit Blick auf Wirtschaftszahlen moderate Zuwächse zu fordern, gehen heute in der Tarifpolitik Abwehrkämpfe Hand in Hand mit der Organisierung von tarifpolitisch „weißen Flecken“. Eine große Herausforderung also, die es zu meistern und vor allem zu organisieren gilt! Das lief und wird auch in Zukunft leider nicht ohne den einen oder anderen Rückschlag ablaufen. Denn eine gewerkschaftliche Organisierung ist schwer in Zeiten massenhafter Tarifflucht von Arbeitgebern, Auslagerungen von Betrieben und einer in ihrer Gesamtheit durchgehend arbeitnehmerfeindlichen Politik.

Eine große Aufgabe für eine große Gewerkschaft.

Angesichts von Tarifeinheitsgesetz und fehlenden gesetzlichen Regulierungen bei Leiharbeit, Befristung und Werkverträgen offenbaren sich SPD und CDU/CSU nicht als geeignete parlamentarische Partner. Neuerungen wie Mindestlohn oder eine minimale Verbesserung der Allgemeinverbindlichkeit allein reichen nicht aus. Neben dringend gebotenen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Abwehr arbeitnehmerfeindlicher Angriffe lässt die Große Koalition aber auch arbeitsmarktpolitische Aufschläge vermissen. Die Debatte um die fehlgeschlagenen Arbeitskämpfe zur Verhinderung von Auslagerungen beispielsweise zeigt, dass den Interessenvertretungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirksame Instrumente für ihre Arbeit fehlen. Hier muss die betriebliche Mitbestimmung ausgebaut werden.

Vor dieser Aufgabe steht ver.di aber nicht allein. Auch die Gesellschaft und nicht zuletzt die Politik müssen in dieser Entwicklung den Beschäftigten beispringen. Wir alle müssen Beschäftigte, die um bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn und auch um die Etablierung von betrieblichen Interessenvertretungen kämpfen, bei ihren Arbeitskämpfen unterstützen. Wir müssen der Gewerkschaft Ver.di, die sich mit ihren Mitgliedern diesen Herausforderungen stellt Respekt und Anerkennung zollen. Und nicht zuletzt müssen wir auch persönlich alles dafür tun, um diese Kämpfe der Zukunft im Sinne der Beschäftigten zu entscheiden.

linksfraktion.de, 24. September 2015