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Das Geschäft mit dem Tod stoppen

Interview der Woche von Jan van Aken,

Jan van Aken, stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE und außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag über mögliche Panzerlieferungen an Katar, die Haltung der Bundesregierung in Sachen Waffenexporte und eine notwendige Neuausrichtung der deutschen Rüstungsindustrie


In der vergangenen Woche waren Politiker der Koalition nicht allzu besorgt über die Nachricht, dass Katar 200 deutsche Panzer vom Typ Leopard 2 im Wert von etwa zwei Milliarden Euro kaufen will. Wofür braucht ein kleines, reiches Emirat am Persischen Golf 200 deutsche Panzer?

Jan van Aken: Katar hat Interesse an der neuesten Variante des Leopard, dem 2 A7+. Diese Ausführung eignet sich zur Kriegsführung im städtischen Raum, mit anderen Worten auch zur Niederschlagung von Aufständen – ob nun in Katar selbst oder an der Seite von Saudi-Arabien in den Nachbarstaaten. Außerdem: Katar mag zwar klein sein, es betreibt aber eine aggressive Militärpolitik. Im Libyenkrieg letztes Jahr bombte die katarische Luftwaffe mit. Damals  – wie heute in Syrien – lieferte das Emirat auch Waffen an eine Bürgerkriegspartei.

Es heißt, der Iran strebe nach Hegemonie in der Region. Stellt er eine Bedrohung für Katar oder Saudi-Arabien dar, das ja auch deutsche Panzer kaufen möchte?

Sowohl Iran als auch Saudi-Arabien streben nach regionaler Hegemonie. Dass Iran aber über den Persischen Golf übersetzt und Saudi-Arabien oder Katar dann mit einer gelandeten Streitmacht angreift, ist ein völlig albernes Szenario. Iran hat hierfür nicht die Mittel. Andersrum gilt das aber auch: Katar und Saudi-Arabien haben gar nicht die Schiffe, um all ihre neuen Panzer überzusetzen – deshalb ist es ein völlig falsches und verlogenes Argument, die Leo-Lieferungen hätten etwas mit dem Iran zu tun. Diese Waffen werden für den Einsatz im eigenen Land und in den angrenzenden Monarchien gebraucht – für den Erhalt dieser repressiven Herrschaftsformen.

Befürworter der Verkäufe weisen darauf hin, dass dadurch Arbeitsplätze gesichert werden können. Was sagen Sie zu diesem Argument?

Jeder Euro, der mit dem Leid und Tod anderer Menschen verdient wird, ist ein Euro zuviel. Aber wir müssen natürlich auch an die Menschen denken, deren Job bedroht wäre. Mehrere zehntausend Arbeitsplätze hängen wohl vom Waffenexport ab. Da ist es auch eine Aufgabe des Staates, die Konversion – also die Umstellung auf eine friedliche Produktion – zu unterstützen. Dies ist insbesondere bei Unternehmen in strukturschwachen Regionen von größter Bedeutung. Aber ich möchte hier auch auf die Verantwortung der Firmenleitungen hinweisen: Es ist jetzt ihre Aufgabe, auf zivile Produkte umzustellen, denn eine starke Einschränkung der Waffenexporte wird kommen – das ist unser erklärtes Ziel, und damit werden wir über kurz oder lang erfolgreich sein. Da muss sich das Management der Waffenschmieden heute drauf einstellen, und nicht einfach darauf warten, bis ihnen ein Teil des Umsatzes mit Waffen wegbricht.

Kritik an den möglichen Verkäufen schmetterten Politiker wie Martin Lindner (FDP) oder Ernst Hinsken (CSU) ab – wenn Deutschland nicht liefere, dann lieferten eben andere...

Dieses Argument ist erstens dumm und zweitens falsch. Dumm, weil man dieses Argument auch einem Drogendealer auf dem Schulhof nicht durchgehen lassen würde. Falsch, weil es doch darum geht, internationale Maßstäbe zu setzen. Natürlich würden "die anderen" erst mal weiterliefern, aber wie lange denn? Auch das Verbot von Landminen und Streubomben haben längst nicht alle Länder unterzeichnet, aber sie halten sich zunehmend daran, weil diese furchtbaren Waffen international total geächtet sind. Das Gleiche wollen und werden wir auch für Waffenexporte erreichen.

Aber wie lässt sich das verhindern – durch internationale Verträge?

Auch, aber das ist natürlich ein ganz langsamer Prozess. Jetzt geht es vor allem darum, dass die Bundesrepublik vorangeht. Ein Ende deutscher Waffenexporte hätte eine weltweite Signalwirkung und würde dazu beitragen, dass deutsche Außenpolitik eine Friedenspolitik wird.  

Sie sind im Juli nach New York zu den Verhandlungen über den Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty) der Vereinten Nationen gereist. Ein Vertrag kam nicht zustande. Woran hat es gelegen?

Viele Länder – auch Deutschland – benutzen Waffenexporte als Mittel der Außenpolitik. Eine Ladung Panzer oder Maschinenpistolen soll helfen, gute Beziehungen zu zementieren. Dieses Instrument – so grauenvoll es ist – wollen sich viele Länder nicht nehmen lassen. Aber noch habe ich Hoffnung, dass im nächsten Jahr doch noch ein Vertrag auf den Weg gebracht werden kann.

Was hätte der Vertrag gebracht?

Aus deutscher Sicht erst mal nicht sehr viel. Die Standards im Arms Trade Treaty hätten noch unter den deutschen Regeln für Waffenexporte gelegen, und die sind ja bekanntlich schon extrem schwach. Trotzdem hätte es international sicherlich dazu geführt, dass einzelne Länder sich erstmals überhaupt Regeln zum Waffenexport gegeben hätten – ein guter Anfang, auf dem wir in den nächsten Jahrzehnten aufbauen könnten.

Wie sehen Sie die Position der Bundesregierung – einerseits soll nach eigener Verlautbarung ein starker Vertrag her, andererseits soll ein bestimmter Waffenhandel legitimiert werden?

"Stark" ist ein relatives Wort – die Bundesregierung hat sich für alles eingesetzt, was unterhalb der deutschen Standards liegt – insofern "schwach" aus deutscher Sicht, aber im internationalen Vergleich eben doch stärker als das, was Russen, Amis und Chinesen wollen.

Wie ist vor diesem Hintergrund der Versuch der Bundesregierung zu verstehen, bei der NATO eine Liste mit sogenannten Drittstaaten durchzusetzen, in die Waffen geliefert werden dürfen? Angeblich sollen durch Rüstungsverkäufe an Länder in Krisenregionen, diese besser zur Lösung regionaler Konflikte befähigt werden.

Merkels Regierung hat bereits mit der Genehmigung des Panzerexports nach Saudi-Arabien – und das mitten im arabischen Frühling – ihre Skrupellosigkeit gezeigt. Die Erstellung einer Drittstaatenliste ist die Fortführung dieser Politik. Merkel scheint sich Richard Nixon zum Vorbild genommen zu haben, der ausgesuchte Staaten wie Iran unter anderem mit Hilfe von Waffenlieferungen zu Gendarmen in ihrer Region machen wollte. Das hat schon bei Nixon nicht funktioniert, wie das Beispiel Iran zeigt. Und bei Merkel wird es nicht besser funktionieren.

Wie sieht die Alternative der LINKEN zu dieser Politik aus?

Ein Verbot aller Waffenexporte ist die einzige Lösung. Der Versuch, mit vagen Menschenrechtskriterien die Waffenexporte einzudämmen, ist komplett gescheitert, weil am Ende immer die knallharten außenpolitischen Interessen gewinnen. Ein bisschen mehr Transparenz, wie es die SPD fordert, ist richtig, aber reicht überhaupt nicht aus. Bislang sind weder SPD noch Grüne bereit, klare Verbote zu fordern – nicht einmal für die Sturmgewehre und Maschinenpistolen, die die wahren Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts sind.
Es liegt an uns, an der LINKEN und der Friedensbewegung, den Druck auf die anderen Parteien so weit zu erhöhen, dass sie endlich auch bereit sind, das Geschäft mit dem Tod zu stoppen.

linksfraktion.de, 6. August 2012