Zum Hauptinhalt springen

»Das Geld kam nie beim griechischen Volk an«

Im Wortlaut,

Protest im Europaparlamant: Dimitrios Papadimoulis und Gabi Zimmer

 

Dimitrios Papadimoulis, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Mitglied von Syriza über den linken Wahlerfolg in Griechenland, Auswege aus der Krise und den Kampf gegen die heimischen Oligarchen

 

Den Triumph von Syriza bei den Wahlen in Griechenland hat DIE LINKE bejubelt, überrascht hat jedoch viele die Entscheidung, mit der rechten Partei Anel zu koalieren.

Dimitrios Papadimoulis: Wir hatten keine andere Wahl. Wir haben die absolute Mehrheit im Parlament knapp verfehlt. Neuwahlen oder eine schwache Minderheitsregierung, die Erpressungsversuchen aus dem In- und Ausland ausgesetzt gewesen wäre, kamen nicht in Frage. Und wir wollten keine Koalition mit einer Partei bilden, die die bisherige Kürzungspolitik unterstützt. Stattdessen waren wir bereit, einen breiteren Konsens zugunsten der griechischen Gesellschaft zu finden. Unsere Aufgabe besteht darin, diese Gesellschaft – die unteren und die mittleren Schichten – vor dem totalen Chaos zu retten.

Was sind die wichtigsten Ziele der neuen Regierung?

Unser Bestreben zielt darauf ab, die einseitige und harte Kürzungspolitik zu beenden. Wir wollen die Wirtschaft auf nachhaltige Entwicklung ausrichten und eine tragfähige Lösung für die Staatsschulden finden, unter anderem indem wir eine Brückenlösung anstreben zwischen dem bisherigen Kreditprogramm, das gescheitert ist, und einem neuen Programm. Doch das Problem der Staatsschulden ist nicht nur ein griechisches Problem.

Sondern?

Es ist ein europäisches Problem. Die Staatsschulden sind in ganz Europa seit dem Jahr 2009 explodiert. Denn es funktioniert nicht, eine gemeinsame Währung zu haben, aber 19 unterschiedliche Steuersysteme, 19 unterschiedliche Staatsschulden und 19 unterschiedliche Zinsniveaus. Wir möchten, dass unsere Anstrengungen Teil eines breiten Bündnisses sind, das darauf abzielt, die bisherige einseitige Politik, die Deflation verursacht, zu stoppen und die europäische Wirtschaft auf nachhaltiges Wachstum auszurichten. 

Wie sollte die griechische Regierung reagieren, falls die europäischen Institutionen auf weiteren Sozialkürzungen bestehen als Voraussetzung für neue Kreditprogramme?

Ich möchte der Regierung keine öffentlichen Ratschläge erteilen, weil das den laufenden Verhandlungen schaden könnte. Ganz allgemein sage ich, dass es nach den harten Einschnitten bei Löhnen und Renten von im Durchschnitt mehr als 30 Prozent in den vergangenen fünf Jahren keinen Spielraum für weitere Kürzungen gibt. Aber es gibt eine große Notwendigkeit, um Steuervermeidung, Steuerflucht und öffentliche Ausgaben zu beenden, die nur einer kleinen Minderheit nutzen. In Griechenland zahlen die Reichen fast keine Steuern, die Mittelklasse und die Armen zahlen sehr viele Steuern.

Wie wollen Sie erreichen, dass die extrem reichen Oligarchen höhere Steuern zahlen?

Das ist eine unserer Prioritäten. Bei den europäischen Institutionen und den nationalen Regierungen haben wir bereits um Hilfe und Solidarität gebeten. Der deutsche Finanzminister hatte übrigens der vorherigen griechischen Regierung technische Unterstützung angeboten, aber die Regierung hat sie abgelehnt. Wir hingegen sind entschlossen, mit dem Oligarchen-Phänomen aufzuräumen, das eher vergleichbar ist mit Russland als mit einem normalen europäischen Land.

Wie kann DIE LINKE die neue Regierung unterstützen?

Indem sie die Wahrheit verbreitet. Unsere Gegner haben eine Karikatur des griechischen Volks geschaffen: Wir seien faul, korrupt und gäben das Geld anderer Leute aus. Aber die Rettungsprogramme waren dazu bestimmt, die europäischen Banken zu retten. Das Geld ist niemals beim griechischen Volk angekommen. Und das Volk hat diese Programme niemals gewählt, es ist nicht einmal gefragt worden. Und indem sie die Wahrheit sagt über Syriza: Wir sind keine anti-europäischen Monster. Wir sind eine linke, demokratische, pro-europäische Kraft, die für wirtschaftliche Entwicklung, Zusammenhalt und Gerechtigkeit kämpft.

 

Dimitrios Papadimoulis, Jahrgang 1955, ist Vize-Präsident des Europäischen Parlaments und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Er ist Mitglied von Syriza und gehört im Europäischen Parlament der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke an.

Das Interview führte Ruben Lehnert.

linksfraktion.de, 23. Februar 2015