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Das Dresdner Skandalurteil

Periodika,

Gericht verurteilt engagierten Antifaschisten zu 20 Monate Haft ohne Bewährung.

Es ist ein absurdes Urteil, das der Richter Hans-Joachim Hlavka kürzlich am Dresdner Amtsgericht gesprochen hat. Wegen Körperverletzung, besonders schweren Landfriedensbruchs und Beleidigung bei den Anti-Nazi-Demonstrationen am 19. Februar 2011 verurteilte das Gericht den Angeklagten Tim H. zu einem Jahr und zehn Monaten Haft ohne Bewährung. Der Skandal dabei ist: Während der vier Verhandlungstage konnte die Staatsanwaltschaft weder eine allgemeine Tatbeteiligung noch konkrete Taten des Angeklagten nachweisen.

Rückblick: Am 19. Februar 2011 hatten Demonstranten einen Aufmarsch von Neonazis verhindert. Dabei kam es an einer der Polizeisperren zu Gewalt. Vier Polizisten wurden bei diesen Auseinandersetzungen verletzt, per Megafon soll zum Durchbrechen einer Polizeisperre aufgerufen worden sein. Die Aufforderung zum Durchbrechen sei nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in den Worten „Kommt nach vorne!“ zu sehen, der Megafonsprecher soll Tim H. gewesen sein. Im Prozess ließ sich das jedoch nicht belegen.

Zu den Besonderheiten des Prozesses gehört, dass der Hauptbelastungszeuge den Angeklagten am ersten Prozesstag entlastete. Ein Anwohner, der die Auseinandersetzungen von seinem Balkon aus beobachtet hatte, sagte vor Gericht aus, Tim H. sei nicht derjenige gewesen, der Anweisungen über ein Megafon gegeben habe.

Der Anwalt des Angeklagten, Sven Richwin, sprach gegenüber Klar denn auch von einem Indizienprozess: „Da der einzige Zeuge ausgefallen ist, fußt die Entscheidung des Richters vor allem auf einem Polizeivideo.“ Darauf sei eine größere Person zu sehen, deren Gesichtszüge nicht zu erkennen seien. Weder sei zu sehen, was die Person mache, geschweige denn, ob da irgendwelche Durchsagen getätigt werden, so Richwin.

„Das ist ein Skandalurteil. Der einzige Augenzeuge konnte Tim nicht einmal identifizieren“, erklärt Ulrich Maurer, Rechtsanwalt und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nun hat die Staatsanwaltschaft sogar noch Berufung eingelegt – da die Strafe zu niedrig ausgefallen sei.