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Das Ausbluten der Krankenhäuser stoppen

Periodika,

Viele Krankenhäuser in Deutschland stehen vor dem Aus.

In Spremberg überlebt das einzige von Mitarbeitern geführte Krankenhaus bereits seit gut zehn Jahren und schreibt schwarze Zahlen.

Ich hörte gerade Ben Harpers »Please bleed« (frei übersetzt: Jetzt kannst du bluten), als ich zur Auffahrt des Krankenhauses Spremberg einbog. Was für ein Song, wenn man auf dem Weg in ein Krankenhaus ist. Aber nicht der eigene Gesundheitszustand, sondern die Zustände der Krankenhäuser in diesem Lande treiben mich um. »Über Geld spricht man nicht« - diese Erfahrung musste ich auch machen, als ich für »Clara« betroffene Krankenhäuser befragen wollte: Die Mindener Kliniken hatten bis Juli dieses Jahres einen Vorstandsvorsitzenden, der über die Finanzmisere seines Hauses öffentlich Stellung nahm. Ein Interview-Termin war vereinbart. Unmittelbar davor kam die Information über die Kündigung des Vorstandsvorsitzenden. Der neue Vorstand wollte keinesfalls reden. Ein anderes Beispiel: Ein großer Berliner Klinikverbund bekam ebenfalls kalte Füße und ließ mir mitteilen, dass »nach hausinterner Abwägung Vivantes aus verschiedenen Gründen nicht für diese Reportage zur Verfügung steht«.
In Spremberg sieht man diese Problematik anders. Die hiesige Leitung hatte keine Bedenken, offen über die finanzielle Situation ihres Hauses mit mir zu sprechen.
Das Krankenhaus Spremberg wirkt gut in Schuss, der Eingangsbereich hat einen kleinen Park, Patienten mit und ohne Rollator laufen langsam über die kleinen gepflegten Wege, auf den Bänken wird geplaudert. Doch diese Idylle trügt. Die Zeichen für die deutsche Krankenhauslandschaft stehen auf Sturm: Ohne einen Richtungswechsel der Politik droht bis zu einem Drittel der 2100 Krankenhäuser in Deutschland das Aus. Ihnen fehlen die Mittel, um Investitionen zu bezahlen, Personalkosten decken zu können und gestiegene Preise durch die Mehrwertsteuererhöhung oder bei den Energiekosten abzufangen. Schließungen oder Privatisierungen sind dann die Folge. Wie kann unter diesen Bedingungen hier in Spremberg ein Krankenhaus der Grundversorgung mit 180 Betten, 35 Tagesklinikplätzen und 265 Mitarbeitern überleben?
Die Geschäftsführerin Kathrin Möbius, die alle Höhen und Tiefen der Klinik seit der Wende miterlebt hat, ist eine Kämpfernatur. Ungebrochen scheint ihr Elan, wenn es darum geht, die miese Krankenhausfinanzierung von Bund und Ländern zu überstehen. Sie erzählt von ihren Erfahrungen: »Um Kosten zu sparen, mussten Bereiche ausgegliedert oder neu aufgeteilt werden. Das war mit schmerzhaften Einschnitten verbunden. Unser Haustarifvertrag soll die zur Verfügung stehenden Mittel für das Personal gerechter aufteilen«, erläutert Möbius. »Tarifabschlüsse wie im öffentlichen Dienst können wir uns in Spremberg nicht leisten. Dafür haben wir eine Mitarbeiterbeteiligung, wenn das Haus Überschüsse erwirtschaftet, eine hausinterne Altersversorgung eingeführt und einen Betriebskindergarten gegrün-det.« Dadurch können Mitarbeiter langfristig an das Haus gebunden werden. Insbesondere mit Blick auf die Randlage in der Lausitz ein wichtiges Ziel.
Das Krankenhaus Spremberg ereilte Anfang der 90er Jahre das gleiche Schicksal wie viele kommunale Häuser: Mit dem Bruch der alten Gesellschaftsordnung war die Umstellung auf das westdeutsche Gesundheitssystem nicht einfach. Um Kosten zu ersparen, wurde das Haus an private Investoren verkauft. Die hatten mit anderen Geschäften Verluste gemacht und gingen dann in die Insolvenz. Glück im Unglück für das Lausitzer Krankenhaus: Durch eine Klausel im Gesellschaftervertrag fiel das Haus wieder an die Kommune zurück. Diese lehnte dankend ab und suchte einen neuen Betreiber.

Fairness für öffentliche Daseinsvorsorge

Eine Schließung hätte fatale Folgen für die Stadt gehabt. Das nächste Krankenhaus ist mindestens 25 Kilometer entfernt. Im Ernstfall wäre es dann schwer, schnell professionelle Hilfe zu bekommen. Auch für die Beschäftigten wäre das Aus eine Katastrophe gewesen: Für eine Stadt wie Spremberg mit 26000 Einwohnern gehört das Krankenhaus zu den großen Arbeitgebern der Region.
Statt auf einen neuen Besitzer zu warten, gründeten die Mitarbeiter einen Förderverein, bewarben sich und setzten sich gegen andere Klinikketten durch. Nach all den Widerständen gab die Landesregierung grünes Licht für dieses einzigartige Experiment - Kritiker gaben dem Projekt ein halbes Jahr. Heute besteht das einzige mitarbeitergeführte Krankenhaus in Deutschland bereits seit gut zehn Jahren und schreibt schwarze Zahlen.
Kathrin Möbius besteht darauf, kostendeckend zu arbeiten. »Wir können uns nicht einfach gehen lassen und entsprechende Defizite über den Stadthaushalt beheben. Denn die Verluste hätten wir selbst zu tragen.« Aber sie verlangt auch faire Bedingungen für die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge: Dass Budgetanpassungen nach Kassenlage erfolgen, sei nicht akzeptabel. Haben die Kassen viele Versicherte mit keinem oder geringem Einkommen, steigt die Grundlohnsumme nahezu gar nicht. In diesem Jahr darf der Etat um 0,64 Prozent anwachsen. Das reicht hinten und vorn nicht, um die steigenden Kosten zu decken! »Wir fordern anständige Voraussetzungen für die hochwertige medizinische Versorgung unserer Krankenhäuser.« Gerne würden sich die Ärztinnen und Ärzte besser um ihre Patienten kümmern, aber die zunehmende »patientenferne« Arbeit verhindere das. Bis zu einem Drittel der Arbeitszeit gehe für bürokratische Tätigkeiten drauf. Frust verbreitet sich. Die Geschäftsführerin führt ein Beispiel an: »Die Kassen versuchen mit allen Mitteln, sich aus der Bezahlung stationärer Leistungen herauszuwinden. Dementsprechend haben wir täglich mit Krankenkassen zu tun, die reihenweise Behandlungsfälle in Frage stellen. Das be-deutet Stellungnahmen und Widersprüche schreiben und gegebenenfalls vor Gericht ziehen. Das nervt!«

Druck auf Bundes- und Landesregierungen

Um das »Ausbluten« der Krankenhäuser zu verhindern, muss der Druck auf Bundes- und Landesregierungen wachsen. Dazu - da bin ich mir mit Kathrin Möbius einig - müssen wir uns auf verschieden Ebenen Gehör verschaffen. Wir von der LINKEN haben bereits im März den Antrag »Aktuelle Finanznot der Krankenhäuser beenden« in die parlamentarische Debatte gebracht. Darin fordern wir eine angemessene Bezahlung der Krankenhausleistungen, damit Patienten gut versorgt und das Personal anständig bezahlt werden kann.
Gemeinsam mit den Mitarbeitern des Spremberger Krankenhauses demonstrierten wir auch am 25. September in Berlin. Bundesweit kämpfen hunderttausende Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen dafür, dass die Verantwortung für eine gute Gesundheitsversorgung bleibt.

Infobox:
Was ist der Gesundheitsfonds?
Der Gesundheitsfonds ist Teil der Finanzreform, die zu mehr Wettbewerb zwischen den Kassen führen soll. Diese Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung besteht aus verschiedenen Elementen:

- Einheitlicher Beitragssatz für alle Versicherten
- krankheitsorientierter Risikostrukturausgleich (morbi-RSA)
- Zusatzbeitrag (Kopfpauschale oder ein Prozent vom Brutto) bei Unterfinanzierung einer Krankenkasse

- Einführung von Wahltarifen (Kostenerstattung, Selbstbehalt und Beitragsrückerstattung)
- sogenannte Konvergenzklausel, um den Finanzabfluss auf maximal 100 Mio. Euro pro Bundesland zu begrenzen.

Was ist davon zu halten?
Der einheitliche Beitragsatz ist Augenwischerei. Durch die Zusatzprämie werden zusätzliche Kosten einseitig auf die Versicherten verlagert und die Arbeitgeber entlastet.
Mit der möglichen Kopfpauschale werden Versicherte mit geringem Einkommen stärker belastet als Besserverdienende. Mit Wahltarifen können nur Junge und Gesunde mit gutem Einkommen Geld sparen. Damit werden der GKV Mittel entzogen und die Solidarität mit den Älteren, Kranken und Menschen mit geringeren Einkommen ausgehöhlt. Sowohl die Zusatzprämie wie auch die Wahltarife lehnen wir ab, da sie die Zwei-Klassen-Medizin weiter vorantreiben. Bei dem ab 2009 neuen krankheitsorientierten Risikostrukturausgleich werden zu wenige Krankheiten berücksichtigt. Das reicht nicht, um einen gerechten Finanzausgleich zwischen den Kassen zu gewährleisten. Krankenkassen werden versuchen, möglichst gesunde und junge Versicherte zu bekommen. Die LINKE lehnt diesen Gesundheitsfonds ab und fordert die Einführung der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung