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Dank und warme Worte reichen bei weitem nicht

Im Wortlaut von Pia Zimmermann,

Von Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Der Beifall für Pflegekräfte ist eine schöne Geste – aber bei weitem nicht ausreichend. Bis 2030 werden allein in der Altenpflege mindestens 13.000 Fachkräfte zusätzlich gebraucht – und zwar jedes Jahr! Um diese zu gewinnen, müssen sie endlich dauerhaft deutlich besser bezahlt werden! Also einfach entsprechend ihrer hochanspruchsvollen und anstrengenden Arbeit. Und das dauerhaft. Aber noch nicht mal über einen befristeten Corona-Zuschlag will die Bundesregierung nachdenken.

Ein positiver Aspekt ist aber zumindest: Die Pflege, neben der im Krankenhaus auch die von älteren Menschen, rückt endlich stärker ins öffentliche Bewusstsein. Das ist gut so. DIE LINKE wird dafür kämpfen, dass das auch nach Corona so bleibt.

Pflegende Angehörige bleiben auf der Strecke

Bislang medial völlig unbeachtet geblieben sind die pflegenden Angehörigen. Es sind jedoch drei Viertel aller Menschen mit Pflegebedarf, die allein durch Angehörige gepflegt werden. Sie sind auch systemrelevant! Aber um sich bemerkbar zu machen und auf die eigenen Probleme hinzuweisen, dafür fehlt den meisten die Kraft.

Die Bundeskanzlerin hat pflegende Angehörige zurecht als "größten Pflegedienst der Nation" gepriesen. Trotzdem fallen sie bislang und auch jetzt in der Krise durch alle Raster. Und auch hier gilt: Dank und warme Worte reichen bei weitem nicht.

Meistens sind es Mütter, Schwestern, Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter, manchmal auch Männer, die sich rund um die Uhr um ihre Angehörigen kümmern. Schon unter normalen Umständen bekommen sie bei weitem nicht die Unterstützung, die sie brauchen – weder finanziell, noch organisatorisch oder strukturell, geschweige denn psycho-sozial. Durch die Corona-Krise werden sie nun noch einmal besonders hart getroffen.

Zur Sorge um die Angehörigen, die aufgrund des Alters oder Vorerkrankungen zum ganz überwiegenden Teil zur besonderen Risikogruppe gehören, kommen nun etliche weitere Probleme. Nötiges Desinfektions- und Schutzmaterial ist kaum zu besorgen oder wenn dann nur zu völlig überteuerten Preisen.

Tagespflegeeinrichtungen haben teilweise geschlossen. Dann müssen Angehörige die Betreuung tagsüber parallel zur Lohnarbeit organisieren. Ist die Lohnarbeit neben der Pflege auf Grund der Corona-bedingten zusätzlichen Belastungen nicht möglich, gibt es keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Ersatzleistungen. Sollten die Tagespflegeeinrichtungen nicht geschlossen haben, setzen sich die Menschen dort einem erhöhten Infektionsrisiko aus – ein Problem, dass durch fehlendes Schutzmaterial in allen Einrichtungen der Altenhilfe noch verstärkt wird.

Da man nicht notwendige Kontakte meiden soll, stellt sich auch die Frage, ob bewährte soziale Netze, beispielsweise in der Nachbarschaft oder im weiteren Familienkreis, überhaupt noch aushelfen können und sollen. Diese bringen einerseits häufig Entlastung für pflegende Angehörige sowie soziale Kontakte für Menschen mit Pflegebedarf, besonders wenn diese alleine leben. Andererseits erhöht sich mit den Kontakten aber auch das Risiko, das Corona-Virus zu übertragen. Die Kontakte zu kappen und auf eine unabsehbar lange Isolation zu setzen, kann aber ebenso zur gesundheitlichen Gefahr werden. Hier jeden Tag neu entscheiden zu müssen, stellt eine hohe nervliche Belastung dar.

Allein auf Nachbarschaftshilfe angewiesen

Das Einkaufen für Senioren und andere Risikogruppen wird inzwischen oft über Nachbarschaftshilfe organisiert. Hilfen wären vor allem aber auch von Seiten der Bundespolitik nötig. Ältere, Vorerkrankte, Menschen mit Pflegebedarf werden zwar als besondere Risikogruppe benannt, getan wird für sie indes noch weniger als im Normalbetrieb!

Nötig sind in Altenpflegeheimen, bei ambulanten Pflegediensten und daheim für Menschen mit Pflegebedarf und diejenigen, die sie betreuen und pflegen regelmäßige Tests auf eine Infektion mit Sars-CoV2 und deren schnelle Auswertung und die Bereitstellung von Schutz- und Desinfektionsmaterial. Zudem sind insbesondere für Menschen, die zu Hause versorgt werden, alternative Versorgungsangebote zu planen. Der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI (125 Euro, die jeder Pflegebedürftige zusätzlich im Monat bekommen kann), muss ohne bürokratische Hürden und Bindung an bestimmte Leistungserbringer frei verfügbar sein, zum Beispiel für Hol- und Bringdienste.

Doch in den sogenannten Schutzpaketen der Bundesregierung zur Corona-Krise suchte man Konzepte für diese große Gruppe von Menschen vergebens. Hier muss deutlich nachgebessert werden. Dafür kämpfen wir!


In einem Offenen Brief an Gesundheitsminister Spahn (CDU) kritisieren Pia Zimmermann und Sören Pellmann die Situation in Pflegeheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und bei ambulanten Pflegediensten angesichts der Corona-Krise.