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Foto: Rico Prauss

Danaergeschenke

Kolumne von Dietmar Bartsch,

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und für für DIE LINKE Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages

 

 

Viele Trabi-Fahrer besaßen ein Buch: "Wie helfe ich mir selbst?". Im Fall der Fälle war das sehr hilfreich, denn Werkstätten waren in der DDR knapp und überlastet und an "Gelbe Engel" nicht zu denken. Als ich dann mein erstes "Westauto" besaß, bekam ich dazu großzügig ein ebensolches Werk geschenkt. Nun jedoch, bei dem mit Elektronik vollgestopften Gefährt, war Selbsthilfe völlig ausgeschlossen. Jetzt hielt ich also nichts Hilfreiches, sondern etwas völlig Sinnloses in der Hand. Ich hatte ein so genanntes Danaergeschenk erhalten. Mit einem hölzernen Pferd, so die Mythologie, sollen die Danaer, also die Griechen, einst Troja erobert haben. Vergil dichtete: "Traut nicht dem Pferde, Trojaner! Was immer es ist, ich fürchte die Danaer, selbst wenn sie Geschenke bringen."

Es ist schon makaber, dass heutzutage gerade die Griechinnen und Griechen in den Besitz solcher Danaergeschenke geraten. Was nämlich Griechenland als "Rettungshilfe" erhält, ist mit außerordentlich unsittlichen Auflagen verbunden: Insbesondere Löhne, Renten und öffentliche Leistungen sind in gewaltigem Maße zu kürzen. Die Verursacher und Nutznießer der Banken- und Finanzkrise, darunter auch Superreiche Griechenlands, kommen unter dem Regen durch, die Bevölkerungsmehrheit aber zahlt dort und in vielen europäischen Ländern mit heftigem Sozialabbau, mit Armut, Verunsicherung und der Privatisierung öffentlichen Eigentums. Statt endlich die Finanzmärkte zu regulieren, wollen die Mächtigen Europas die Staaten zu einer immer rigoroseren Spar- und Kürzungspolitik zwingen, wozu nunmehr der so genannte Fiskalvertrag unter Dach und Fach gebracht werden soll. Auch im Deutschen Bundestag will ihn die Regierungskoalition noch vor der Sommerpause durchpeitschen, die Abstimmung wird voraussichtlich am Freitag, dem 29. Juni, erfolgen.

Schuldenbremsen, so wird uns weisgemacht, sollen als Bestandteil dieses Vertrages die Finanzkrise lösen. Was in aller Regel nicht klargestellt wird, ist, dass die Krise entstand, weil Staaten – sprich: Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – mit Milliardensummen Banken gerettet haben, die sich völlig verzockt haben. Nun sind die öffentlichen Kassen leer und was als ein Hilfsprogramm nach dem anderen daherkommt, führt mitnichten zu Wirtschaftsaufschwung oder gar zu einem sozial-ökologischen Umbau. Im Gegenteil, alle diese "Rettungsschirme" führen zu einem sinkenden Bruttoinlandsprodukt, nehmen alten Menschen die Würde und den Jungen die Zukunft. Zu sehen ist das am deutlichsten in Griechenland, zunehmend in Spanien und Portugal, bald vermutlich in Italien...

Der nun anstehende Fiskalvertrag führt nicht nur geradewegs in Massenarmut, er untergräbt überdies den europäischen Integrationsprozess und ist nicht zuletzt ein Angriff auf die Demokratie, weil nationale Parlamente zu erheblichen Teilen ihr Haushaltsrecht abtreten müssen. Da geht es um nicht weniger als das "Königsrecht" des Parlaments! Gerade als Haushälter sage ich, das ist inakzeptabel. Der Fiskalvertrag braucht im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit, die Regierung Merkel muss folglich Teile der Opposition für dessen Ratifizierung gewinnen. Als Lockmittel dient unter anderem die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Weil maßlose und gewissenlose Finanzspekulationen mehr und mehr die Demokratie und die Stabilität von Staaten bedrohen, setzt sich DIE LINKE seit Jahren für eine solche Steuer ein, die auf alle Wertpapierumsätze sowie Derivate- und Devisenumsätze erhoben werden soll. Nachdem sich Union und FDP der Finanztransaktionsteuer wieder und wieder verweigert haben, lenkt die Koalition nun – um die Zustimmung von SPD und Grünen zum Fiskalvertrag buhlend – scheinbar ein. Merkel und Co. spielen zugleich auf Zeit: Die Finanztransaktionssteuer wird kommen, aber nicht sofort. Absichtserklärungen haben Konjunktur. Eine Nagelprobe machte dieser Tage das falsche Spiel der Koalition offensichtlich: Einen Antrag der LINKEN, die zu erwartenden Einnahmen aus dieser Steuer in den Nachtragshaushalt 2012 aufzunehmen, lehnten Union und FDP im Bundestag ab, SPD und Grüne stimmten unserem Antrag zu.

DIE LINKE wird dem Fiskalvertrag im Bundestag die Zustimmung verweigern. Es deutet indessen alles darauf hin, dass SPD und Grüne dem unsozialen, undemokratischen und antieuropäischen Vertrag zustimmen werden. Als Gegenleistung erhalten sie Versprechungen ohne Wert, vage Ankündigungen, für die man sich buchstäblich nichts kaufen kann. Danaergeschenke halt!