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Banken in Frankfurt am Main © Pixabay/Piro4D

Cum-Fake: Neue Steuertricks mit American Depositary Receipts

Nachricht von Fabio De Masi,

Sachstand zu den Cum-Fake Geschäften sowie Auswertung der Antwort der Bundesregierung vom 01.02.2019 auf die Kleine Anfrage „Cum-Fake: Die Rolle von American und Global Depository Receipts (ADRs/GDRs) bei missbräuchlicher Erstattung von Kapitalertrags-steuern " (BT-Drs. 19/7484) von Fabio De Masi und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Am 21.11.2018 wurde erstmals über sogenannten Cum-Fake Geschäfte, also unrechtmäßige Kapitalertragssteuererstattungen mithilfe von Pre-Release American Depository Receipts (ADRs), berichtet. Die Cum-Fake Geschäfte reihen sich in den „größten Steuerraub der Geschichte“ durch Cum-Ex und Cum-Cum Geschäfte ein.[1] Eine Zusammenfassung, die unsere Kleine Anfrage zitiert, folgte am 10.02.2019.

Pre-Release ADRs sind vorläufige Aktienbesitzbescheinigungen, also Wertpapiere, die anstelle der ausländischen Aktien auf dem amerikanischen Markt gehandelt werden. Aufsichtsrechtlich ist also die SEC zuständig, gegen deren Regelwerk mit Cum-Fake Geschäften verstoßen wurde. Die Methoden des Steuerbetrugs mit Pre-Release ADRs sind vermutlich vielfältig, reihen sich aber prinzipiell in bekannte Cum-Cum und Cum-Ex Gestaltungen ein.


 

Die Welt der Steuertricks ist kompliziert, aber profitabel. Bei Cum-Deals mit Wertpapieren wurde mit krimineller Energie die Erstattung von Kapitalertragsteuern erschlichen, für die es keinen Anspruch gibt. Mittlerweile ist auch von Cum-Fake die Rede. Auch bei Cum-Fake werden Steuerentlastungen ergaunert. Hierfür werden jedoch nicht die eigentlichen Wertpapiere genutzt, sondern sogenannte Pre-Release American Depository Receipts (ADRs), also vorläufige Aktienbesitzbescheinigungen.

Die Cum-Fake Geschäfte sind Gegenstand dieser Studie. Der Autor Henning Lenz hat viel berufliche Erfahrung in der Finanzwelt gesammelt. Die Publikation erklärt im Detail, wie die Cum-Fake Geschäfte als Cum-Cum-Variante funktionieren, welchen bisher bekannten steuerlichen Schaden sie verursacht haben und welche finanzpolitischen Maßnahmen wir ergreifen müssen, um Cum-Fake zu verhindern. Zur Studie


Nachweislich gab es im Zeitraum von 2011-2016 Cum-Cum Gestaltungen mit Pre-Release ADRs, die von der SEC geahndet wurden. Bei Cum-Cum Geschäften wird das Pre-Release ADR zum Dividendenstichtag an eine steuerbegünstigte Einheit übertragen, die dann beim deutschen Finanzamt einen höheren Erstattungsanspruch geltend macht, als beim eigentlichen Besitzer zustünde. Details zur Funktionsweise, den Ermittlungen durch die SEC und den hieraus entstandenen Steuerschaden lassen sich der Studie von Henning Lenz entnehmen, die im Februar 2019 von der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag veröffentlicht und über die medial berichtet wurde.

Theoretisch sind aber auch Cum-Ex Gestaltungen denkbar, also Mehrfacherstattungen der Kapitalertragssteuer, wobei diese nur einmal entrichtet worden ist, bzw. Erstattungen auf „Phantomaktien“. Diese Möglichkeit, bei der mehr Pre-Release ADRs ausgegeben, als eigentliche Aktien existieren und auf welche dann Mehrfacherstattungen geleistet werden, wird von investigativen Journalisten bekräftigt.[2]

Von der Bundesregierung werden Cum-Fake Geschäfte jenseits der von der SEC ermittelten Fälle ausgeschlossen, d.h. grundsätzlich geht sie davon aus, dass nur Cum-Cum artige Steuergestaltungen möglich sind. Bislang werden missbräuchliche Gestaltungen von der Bundesregierung geprüft, es liegt noch keine Anhaltspunkte dafür vor. Dabei verfügt die Bundesregierung nicht über genaue Daten/Zahlen zu Steuererstattungen mit ADRs, weil das Datenträgerverfahren[3], was üblicherweise zur Erstattung genutzt wird, nur aggregierte Summen ausweist. Es gibt zudem kein Matching zwischen bezahlten und erstatteten Steuern im BZSt.

Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

"Das Bundesministerium der Finanzen ist nicht befähigt, Steuerbetrug zu verhindern. Das Finanzministerium hat kein Problem damit, dass die Finanzaufsicht über zwei Jahre von ADR-Geschäften weiß und darüber nicht informiert. Wir brauchen eine dauerhafte Task Force zwischen Finanzministerium, Finanzaufsicht und Bundeszentralamt für Steuern, die systematisch Daten austauschen. Es muss künftig geprüft werden, ob Steuern, die erstattet werden, auch vorher bezahlt wurden. Das ist technisch möglich."


Ergebnisse im Detail:

  • Die Bundesregierung hält es für naheliegend, dass vorläufige ADRs zur Nutzung von Steuergestaltungen ausgegeben wurden (Antwort 7).
  • Der Bundesregierung liegen außerhalb der von der SEC getroffenen Feststellungen keine Kenntnisse vor, nach welchen unabhängig von den Cum-Ex-Fällen aus dem Zeitraum bis 2011 rechtswidrig Steuern erstattet wurden (Antwort 9).
  • Der Bundesregierung sind keine Fälle mit ADR-Bezug bekannt, in welchen Kapitalertragssteuern unrechtmäßig erstattet wurden. Das Bundeszentralamt für Steuer prüft diesen Sachverhalt derzeit (Antwort 10 und 11).
  • Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über den Anteil an Kapitalertragssteuererstattungen, welche Bezug zu ADR aufweisen (Antwort 17c).
  • Derzeit erfolgt eine Betriebsprüfung durch eine Steuerbehörde Nordrhein-Westfahlen für den Prüfungszeitraum 2011-2013, von welcher auch ADRs betroffen sind. 2016 wurden in diesem Zusammenhang Prüfungsanfragen durch die Steuerbehörde gestellt (Antwort 12).
  • Die BaFin wurde bereits Anfang 2016 über interne Untersuchungen bei einer deutschen Bank (höchstwahrscheinlich Deutsche Bank) von ebendieser informiert, da die SEC Dokumente unter dem Schlagwort „ADR“ anforderte. Das BMF hingegen wurde erst 2018 über eine Finanzbehörde unterrichtet. Aus Sicht des BMF stellt dies kein Versäumnis dar, da die Informationspflicht sich auf wertpapier- und bankaufsichtsrechtliche Vorschriften beschränkt, bzw. nicht von einer möglichen Gefährdung der Finanzstabilität auszugehen war (Antwort 15b, Antwort 16).
  • Die BaFin hat ausgewählte Banken sowie Kapitalverwaltungsgesellschaften angeschrieben, um Daten zu erhalten und den Sachverhalt besser zu verstehen (Antwort 15c).
  • Nachdem das BMF über etwaigen Steuermissbrauch mit ADRs informiert wurde, setzte es aufgrund der sich verdichtenden Hinweise aus den Vergleichsvereinbarungen der SEC das Datenträgerverfahren aus (Antwort 16).
  • Das BZSt nutzt indes ein stichprobenartiges Risikomanagementsystem zur Überprüfung von Anträgen (Antwort 17m).
  • Das BZSt führt keine Statistiken über Beanstandungen von Anträgen oder etwaige Rückforderungen (Antwort 17n).

[1] Diese haben laut Finanzwissenschaftler Christoph Spengel sowie dem Journalistenteam der CumExFiles einen Schaden von 31,8 Milliarden Euro in Deutschland sowie 55 Milliarden Euro in Europa verursacht.

[2] Pre-Release ADRs existieren eigentlich, um Zeitdifferenzen zwischen verschiedenen Handelsplätzen zu überbrücken. Um Cum-Cum Geschäfte zu machen, benötigt man diese aber nicht, sondern könnte reguläre ADRs oder andere Wertpapiere nutzen – weshalb Journalisten vermuten, dass es auch Erstattungen auf „Phantomaktien“ gab, also Pre-Release ADRs, die nicht mit Aktien unterlegt waren.

[3] Beim Datenträgerverfahren werden Erstattungsanträge beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) per CD-Rom vom Teilnehmer des Verfahrens eingereicht, welcher als Vertreter für einzelne Erstattungsberechtigte eine Vielzahl von Einzelanträgen gleichzeitig einreichen kann (also etwa ein Kreditinstitut).