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Chemiewaffen in Syrien: Erst untersuchen, dann urteilen!

Im Wortlaut von Jan van Aken,

 

Von Jan van Aken, vormals UN-Biowaffeninspekteur und jetzt außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Eines vorweg: Mein Bauchgefühl sagt mir, dass in Dörfern östlich von Damaskus vielleicht wirklich Giftgas eingesetzt wurde. Ein grauenhaftes Kriegsverbrechen! Vielleicht – denn es ist zunächst nur ein Bauchgefühl. Sicher ist gar nichts. Anhand von Bildern und Videos ist das tatsächliche Geschehen überhaupt nicht aufzuklären. Es ist unseriös und wissenschaftlich nicht haltbar, jetzt anhand von Videos über die Art des möglicherweise eingesetzten Giftgases zu spekulieren.

Nur eine Inspektion durch die UN-Experten vor Ort kann sicher feststellen, ob Chemiewaffen eingesetzt wurden oder nicht. Bis dahin sollten wir uns alle mit Urteilen zurückhalten. Und selbst wenn die Inspekteure einen Chemiewaffen-Einsatz bestätigen, bleibt noch zu klären, wer es denn getan hat.

Nur eines ist ziemlich sicher, wenn auch nie offiziell bestätigt: Das Assad-Regime verfügt über große Mengen an Chemiewaffen. Es ist aber auch gut möglich, dass Rebellengruppen Zugang zu einigen chemischen Granaten haben könnten, sei es durch Überläufer, sei es durch die Eroberung von Armeestützpunkten. Spekulationen, dass das Gift von Flugzeugen abgeworfen wurde und deshalb nur Assad der Täter sein könne, sind nach heutiger Sachlage völlig haltlos. Chemiewaffen - auch in größeren Mengen - können auch mit Artilleriegranaten eingesetzt werden, es braucht dazu keine Flugzeuge. Es ist völlig unklar, welche der Bürgerkriegsparteien für diesen Einsatz, so er denn stattgefunden hat, verantwortlich ist.

Eine Schuldzuweisung – jetzt oder nach einem endgültigen Nachweis von Giftgas – muss unbedingt vermieden werden, bis echte Beweise vorliegen. Die internationalen Mächte von Frankreich und USA bis hin zu Russland und Iran sollten aufhören, das grauenhafte Sterben als Propagandamittel zu missbrauchen und wahlweise die eine oder andere Seite zu beschuldigen.

Das Grauen des blutigen Krieges in Syrien würde mit dem Einsatz von tödlichem Gas gegen die Bevölkerung, gegen hunderte Kinder auf unerträgliche Weise vergrößert. Diejenigen, die das Giftgas eingesetzt haben, sind Kriegsverbrecher und müssen zur Verantwortung gezogen werden. Wer sie sind, muss aber erst unabhängig und sicher geklärt werden.

Gerade deshalb ist notwendig, dass den UN-Inspekteuren freier Zugang zu allen Gebieten von der syrischen Regierung gewährt und ihre Sicherheit von allen Seiten garantiert wird.

Perspektivisch müssen alle Chemiewaffen, die es in Syrien gibt, unter Kontrolle der UN-Organisation zum Verbot von Chemiewaffen OPCW vernichtet werden.

linksfraktion.de, 22. August 2013