Vor acht Jahren hielt Robert Habeck das Abkommen für falsch. Heute sieht er das anders. Gastbeitag in der Berliner Zeitung von Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.
„Ich selbst halte den CETA-Vertrag, so wie er ist, für nicht zustimmungsfähig.“ Das sind Robert Habecks Worte aus dem Jahr 2016. Einiges hat sich seitdem verändert: Die Grünen sitzen inzwischen in der Regierung und Habeck ist Wirtschaftsminister. Was sich hingegen nicht verändert hat, ist der Vertragstext von CETA. Und dennoch haben die Grünen ihre ablehnende Haltung klammheimlich beerdigt. Wie kommt’s?
CETA steht für Comprehensive Economic and Trade Agreement und ist ein Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und Kanada. Durch die Etablierung „gemeinsamer Regeln und offener Märkte“ soll CETA Handel und Wohlstand der Vertragspartner ausbauen. So zumindest die Sicht der Bundesregierung.
Damit CETA vollständig ratifiziert werden kann, müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen. Dann würde auch der umstrittene Investitionsschutz in Kraft treten. Das Investitionsschutzkapitel würde es Konzernen fortan erlauben, Staaten vor Schiedsgerichte zu zerren, sollten sie ihre Profite durch staatliches Handeln gefährdet sehen. Milliardenschwere Investorenklagen gegen Klimaschutzmaßnahmen sind denkbar. Es ist absurd: Kanada ist ein Rechtsstaat, ebenso besteht die EU aus Rechtsstaaten – wozu braucht es da eine nichtstaatliche Paralleljustiz für Konzerne?
Die Grünen teilten diese Kritik an CETA ursprünglich. 2016 gingen sie daher mit uns Linken auf die Straße. Noch im Bundestagswahlkampf 2021 hatten die Grünen CETA abgelehnt. Im Herbst 2022 taucht das Abkommen dann wieder auf, und mit einem Mal halten auch die Grünen, inzwischen in der Regierung, den Vertrag für eine gute Idee.
Die Grünen sind umgekippt und haben ihre Kritik mutmaßlich dem Koalitionsfrieden geopfert. Um die gute Laune in der Parteibasis zu wahren, haben sich die Grünen mit den Koalitionspartnern auf eine sogenannte Interpretationserklärung geeinigt. Diese soll eine verbindliche Auslegung des Vertragstextes erzwingen und so den Investitionsschutz entschärfen – allerdings ohne dass der eigentliche Vertragstext angetastet wird. Das klingt ein wenig zu gut, um wahr zu sein. Und tatsächlich gibt es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der angestrebten Interpretationserklärung. Verschiedene Rechtsgutachten kommen zu dem Schluss, dass die Interpretationserklärung den Investitionsschutz nicht wirksam einschränken wird.
Angesichts genannter Risiken, die mit einer Ratifizierung einhergehen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Was gibt es bei CETA zu gewinnen? Daher haben wir die Regierung in einer Anfrage zur Rede stellen wollen: Inwiefern profitieren Beschäftigte und Unternehmen von einer vollständigen Ratifizierung? Es stellt sich heraus, dass die Bundesregierung nicht einmal Pi mal Daumen abschätzen kann, in welcher Größenordnung die viel beschworenen Gewinne bei Bruttoinlandsprodukt oder Beschäftigung rangieren könnten. Angesichts der realen Risiken für Arbeitnehmer und Umwelt ist das ziemlich mau.
So oder so: Kritische Aspekte von CETA lassen sich ohne Neuverhandlung nicht entschärfen. Es braucht keine Sonderrechte für Investoren. Was es braucht, ist eine Stärkung des Arbeitnehmer-, Verbraucher- und Umweltschutzes. Daher kann es nur eine Antwort geben: Abkommen wie CETA dürfen nicht ratifiziert werden!