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CETA-Abkommen: Etikettenschwindel bei Schiedsgerichten

Im Wortlaut von Klaus Ernst,



Von Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Wenn Investoren gegen den Staat klagen, kann es teuer werden. Dass solche Sonderklagerechte für Investoren überhaupt zu mehr Investitionen führen, dafür fehlt jeder empirische Beweis. Klar ist aber, dass dieses Klagesystem in vielen Fällen exorbitante Schadensersatzzahlungen von Staaten an Investoren zur Folge hatte, 60 Prozent der Klagefälle eine umweltpolitische Dimension hatten und neue Regulierungen aus Angst vor Klagen fallen gelassen wurden. 2015 wurden so viele Investor-Staat-Klagen eingereicht wie noch nie: 70 an der Zahl. Insgesamt sind über 700 Fälle bekannt. Australien hat zum Beispiel aufgrund seiner schlechten Erfahrungen jüngst nur noch Freihandelsabkommen abgeschlossen, die kein Investorenschutzkapitel enthalten (US-Australien, Japan-Australien). Andere Länder wie Südafrika, Bolivien, Ecuador und Venezuela haben ihre Investorschutzabkommen gekündigt.

Doch die EU-Kommission tickt anders. Bei dem umstrittenen Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada hat sie jetzt nach vehementer Kritik einen neuen Dreh gefunden: Sie nennt ISDS (Investor State Dispute Settlement) nun ICS (Investment Court System) und tut so, als hätte sie ein "faires und objektives" neues System erschaffen. Auch die SPD klopft sich auf die Schulter und beansprucht das Copyright auf den jetzigen "Kompromiss".

Ist jetzt alles gut? Bei weitem nicht! Es gibt zwar ein besseres Auswahlverfahren der Schiedsrichter und eine Berufungsinstanz – aber das war’s dann schon. Weiterhin bekommen nur die ausländischen Investoren spezielle Klagerechte eingeräumt. Alle anderen müssen den nationalen Rechtsweg beschreiten und mehr Pflichten müssen die Konzerne auch nicht erfüllen. Auch Menschen vom Fach warnen eindringlich vor der Einführung eines Investitionsgerichts: Der Deutsche Richterbund als größter Berufsverband der RichterInnen und StaatsanwältInnen in Deutschland äußerte in seiner Stellungnahme, dass die Schaffung von Sondergerichten für einzelne Gruppen von Rechtsuchenden der falsche Weg sei. Das mit dem Vorschlag für ein Internationales Investitionsgericht offensichtlich verbundene Verständnis, die Gerichte der Mitgliedstaaten der Union könnten ausländischen Investoren keinen effektiven Rechtsschutz gewähren, entbehre sachlicher Feststellungen. Außerdem schreibt er: "Der Deutsche Richterbund hat erhebliche Zweifel an der Kompetenz der Europäischen Union für die Einsetzung eines Investitionsgerichts." Und: "Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter des ICS noch deren Stellung genügen den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten. Das ICS erscheint vor diesem Hintergrund nicht als internationales Gericht, sondern vielmehr als ständiges Schiedsgericht."

Tatsächlich enthält auch das ICS die äußert vagen und damit äußerst problematischen Schutzstandards "Schutz vor indirekter Enteignung" sowie das Prinzip der "billigen und gerechten Behandlung" (fair and equitable treatment - FET) in Verbindung mit "legitimen Erwartungen". Nach Einschätzung von Handelsexperten sind mit diesen weitreichenden Schutzrechten weiterhin Konzernklagen gegen nicht-diskriminierende, legale und legitime Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit, Umwelt und anderen öffentlichen Interessen möglich. Gefährlich ist insbesondere auch, dass mit einer Verankerung dieses Systems über CETA oder TTIP dieses ungerechte System verewigt wird, da eine Kündigung faktisch unmöglich wird.

Ich kann die Sozialdemokraten nur warnen, diesen Scheinkompromiss durchgehen zu lassen. Die TTIP- und CETA-Kritiker jedenfalls haben den Etikettenschwindel längst durchschaut. So einfach lassen wir uns nicht den Schneid abkaufen.

linksfraktion.de, 2. März 2016