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Bundesregierung: Krisenpolitik verursacht Rezession und treibt Schulden und Armut in die Höhe

Nachricht von Alexander Ulrich,

In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich und weiterer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE gesteht die Bundesregierung ein, dass die Kürzungsmaßnahmen in Griechenland zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung, steigenden Sozialausgaben und Steuerausfällen führen. Auch eine erhebliche Verschlechterung der sozialen Lage wird festgestellt. Die Konsequenz der Regierung: Mehr Druck und mehr Kontrolle, damit die nächsten Kürzungsmaßnahmen noch schneller umgesetzt werden. Von der Notwendigkeit eines Kurswechsels will sie nichts wissen.

Kurz vor Weihnachten hat der Bundestag einer Überarbeitung des so genannten Hilfspaketes für Griechenland zugestimmt. Ein Schuldenrückkauf wurde auf den Weg gebracht, die Zinsen aus bisher vergebener Kredite wurden nachträglich gesenkt und der Zeitraum für den Anpassungspfad wurde verlängert. Durch die rückwirkenden Zinssenkungen kommt es erstmals zu echten Belastungen für die Haushalte der Kreditgeberländer, also auch für Deutschland.

Nötig geworden war die Nachbesserung, weil die Troika aus Europäischer Kommission, IWF und Zentralbank einmal mehr ihre Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands nach unten korrigieren musste. Allein für den Zeitraum von 2010 bis 2013 wird ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 22,2% erwartet. Durch die Korrektur der Prognose entstand eine Finanzierungslücke von ca. 14 Mrd. Euro. Diese Lücke soll durch Schuldenrückkauf und Zinsreduzierung geschlossen werden soll.

Die Rezession ist Folge der Kürzungsmaßnahmen

Seit 2010 wird in Griechenland als Bedingung für die Kreditvergabe radikal gespart: Stellenstreichungen und Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, Erhöhung des Renteneintrittsalters und weitreichende Kürzungen der Renten, Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung, Kürzung der öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen, Mehrwertsteuererhöhungen, Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr etc. Zudem wurden die Arbeitnehmerrechte, die die GriechInnen nach dem Ende der Diktatur erkämpft hatten rückabgewickelt: Aufhebung des Kündigungsschutzes, Abbau des Mindestlohnes, Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus etc.

Das Griechenland in eine tiefe Rezession geraten ist, mag da nicht verwundern. Schließlich bedeuten die genannten Maßnahmen nicht „nur“ eine soziale Katastrophe, sondern auch einen erheblichen Rückgang der Kaufkraft, der wiederum die Nachfrage schwächt, was zu Betriebsschließungen führt. Arbeitslosigkeit entsteht, die Nachfrage geht weiter zurück und so weiter. Griechenland wurde in eine wirtschaftliche und soziale Abwärtsspirale gedrängt.

Interessant ist, dass das jener Akteur, der die Kürzungspolitik maßgeblich vorantreibt, auch so sieht: die Bundesregierung. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von Alexander Ulrich und weiteren Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gibt sie mit Verweis auf einen Bericht der Troika an dass „der Rückgang der Inlandsnachfrage durch die […] haushaltspolitischen Maßnahmen begünstigt wurde“. Der private Konsum werde „vor diesem Hintergrund“ allein im Jahr 2012 um 7,7% und im Jahr 2013 nochmals um 6,9% zurückgehen. Der öffentliche Konsum wird sich erwartungsgemäß parallel dazu entwickeln.

Auf die Frage, welche Auswirkungen das auf die Steuereinnahmen hat, antwortet die Regierung dass „die Steuereinnahmen in Griechenland 2013 in Folge der tiefen Rezession deutlich zurückgehen“ - und zwar um 3,5 Mrd. auf 41,3 Mrd. Euro. Auch die Ausgabenseite des Staatshaushaltes wird durch die Rezession arg belastet. Während die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Juni 2010 die Erwartung artikulierte, dass die Arbeitslosenquote in Griechenland mit „nahe 15 Prozent im Jahre 2015“ ihren Höchststand erreichen werde, liegt sie bereits heute bei ca. 25%. Trotz aller Kürzungsmaßnahmen haben sich die Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung von 2007 (779 Mio. Euro) bis 2011 (2,15 Mrd. Euro) fast verdreifacht.

Bis hierhin lässt sich die Antwort der Bundesregierung wie folgt zusammenfassen: Die Kürzungsmaßnahmen haben eine tiefe Rezession verursacht durch die die Einnahmen des Staates gesunken und die Ausgaben gestiegen sind. Dass die öffentlichen Schulden weiter ansteigen ist eine logische Konsequenz. In ihrer Antwort gibt die Bundesregierung an, dass die Staatsschuldenquote von 129,7% im Jahr 2010 die so genannten Anpassungsmaßnahmen unumgänglich machte. Heute liegt die Schuldenquote bei ca. 180% - Tendenz: steigend. Die Griechenland-Rettung nach dem Muster der Bundesregierung ist gescheitert.

Keine Kurskorrektur notwendig

Laut der Antwort der Regierung ist das Vorgehen dennoch genau richtig. Denn wenn Griechenland die Kredite nicht bekommen hätte, wäre es wohl zu einem Staatsbankrott gekommen. Und dieser hätte „erhebliche negative Auswirkungen auch auf die Binnennachfrage“ gehabt. Nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums wäre die Folge ein „Totalzusammenbruch der Wirtschaft“ gewesen. Das ist durchaus denkbar. Deswegen ist es richtig, dass Griechenland Hilfskredite bekommt. Das Problem besteht aber nicht in den Krediten, sondern in den daran gekoppelten Kürzungsauflagen, durch die laut Bundesregierung sichergestellt werden soll, dass „Griechenland die notwendigen fiskalischen und strukturellen Maßnahmen zur Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit einleitet und auch umsetzt.“ Damit sind jene Maßnahmen genannt, die die Rezession verursacht und die Schulden in die Höhe getrieben haben. Ein Anstieg der öffentlichen Verschuldung von 130% auf 180% kann jedoch schwer als Beitrag zur „Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit“ betrachtet werden.

Dabei gäbe es durchaus sinnvolle Maßnahmen, mit denen die Krise in Griechenland bekämpft werden könnte. Einige Aspekte wurden in der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE angesprochen. Beispielsweise wurde die Bundesregierung nach ihrer Meinung zur Forderung des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) nach einem Europäischen Investitionsprogramm gefragt. Antwort: „Die Bundesregierung unterstützt prinzipiell alle Bemühungen um Investitionen, die die griechische Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Ein europäische Investitionsprogramm […] lehnt sie jedoch ab.“

Angesprochen auf das Problem der Kapitalflucht aus Griechenland gibt die Bundesregierung an, dass seit Anfang 2010 „ein kontinuierlicher Rückgang der Einlagen [privater Unternehmen] zu verzeichnen“ sei. Diese Einlagen sind um ca. ein Drittel von rund 240 Mrd. auf rund 160 Mrd. Euro zurückgegangen. Die Frage, welche Maßnahmen zur Eindämmung der Kapitalflucht die Bundesregierung für sinnvoll hält, bleibt ohne Antwort. Stattdessen schreibt die Regierung: „Die Kapitalverkehrsfreiheit ist eine der Grundfreiheiten der Europäischen Union.“ Das heißt wohl: Es soll keine Maßnahmen zur Eindämmung der Kapitalflucht geben.

Soziales und Demokratie

Dass die Rezession nicht nur die Schulden erhöht, sondern auch eine soziale Krise verursacht, ist der Bundesregierung indes nicht entgangen. So ist der Antwort zu entnehmen, dass „zwischen 2009 und 2011 eine deutliche Zunahme von Armut zu beobachten“ war. Gemeint ist ein Anstieg der Armutsquote von ca. 20% auf ca. 30%. Als Problem wird das nicht betrachtet.

Teilweise gibt die Regierung sogar an, durch die Kürzungen eine Verbesserung der sozialen Lage zu erreichen. So hat die Troika laut der Antwort der Regierung bei der Ausgabendeckelung im Gesundheitswesen „die Wahrung des allgemeinen Zugangs zu Gesundheitsdiensten und deren Verbesserung“ berücksichtigt. Die alten, krankenversicherten Menschen, die in Apotheken nur noch gegen Vorkasse Medikamente bekommen und jene, die aus Verzweiflung das Büro des Gesundheitsministers stürmten, müssen wohl etwas falsch verstanden haben.

Problematischer ist da laut der Bundesregierung schon, dass es trotz aller von außen diktierten Maßnahmen in Griechenland immer noch eine Art Demokratie gibt. Zwar gesteht sie ein, dass die Kürzungsmaßnahmen mitverantwortlich für die tiefe Rezession und die steigende Staatsverschuldung sind, jedoch gibt sie auch an, dass es nicht so schlimm gekommen wäre, wenn genau diese Maßnahmen noch schneller und konsequenter umgesetzt worden wären. „Ein ganz wesentlicher Faktor“ der zur Korrektur der Prognosen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung nach unten beigetragen habe, seien die Parlamentswahlen und die Komplikationen bei der Regierungsbildung gewesen, durch die es zu Verzögerungen bei der Umsetzung der Maßnahmen gekommen sei.

Auch die miserablen Ergebnisse der Privatisierungsmaßnahmen sind laut Bundesregierung nicht etwa darauf zurückzuführen, dass Griechenland zum Verkauf von öffentlichem Eigentum gezwungen wurde, was die Verkaufspreise nach unten drückt. Sie sind auch nicht Folge der schlechten und unkalkulierbaren wirtschaftlichen Entwicklung, die Investitionen unattraktiv macht. Nein, sie sind Folge der „politischen Unsicherheiten durch die beiden Parlamentswahlen“.

Fazit

Insgesamt spricht die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE eine deutliche Sprache. Die bisherige Krisenpolitik ist gescheitert. Die wirtschaftliche Krise wurde verschärft und eine soziale Krise wurde verursacht. Von alternativen Maßnahmen will die Regierung nichts wissen. Es soll genau so weitergehen wie bisher.