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Brüsseler Sicht

Periodika,

Es wird immer wieder betont, dass das deutsche Bankensystem nicht so stark betroffen sei wie das jenseits des Atlantiks, aber auch hierzulande wurden kräftige Interventionen seitens des Staates nötig. Die Beispiele sind bekannt und die Summen enorm, ca. 20 Mrd. Euro musste der Steuerzahler bisher an Bürgschaften und Hilfen berappen, um die waghalsigen Spekulationen der selbst ernannten Finanzelite auszugleichen. Wie viele kostenlose Kindergartenplätze und gebührenfreie Universitäten dafür zu finanzieren gewesen wären, traut man sich nicht auszumalen. Europa und speziell der Europäischen Zentralbank wird vielfach ein zu träges Reagieren bei der aktuellen Krise der Finanzmärkte unterstellt, auf der politischen Agenda ist das Thema aber zweifellos. Bei der Tagung der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) in Brdo, nahe Ljubl-jana, wurde Anfang April z.B. ein »Memorandum der Verständigung« vereinbart. In diesem Memorandum zur Finanzstabilität wurde vertiefte grenzübergreifende Zusammenarbeit vereinbart, sowohl in Krisensituationen als auch in anscheinend ruhigen Zeiten. Ebenso soll die Überwachung der Finanzmärkte verbessert werden. Beispielsweise müssen nationale Aufsichtsbehörden die europäische Dimension ihres Handelns mehr in Erwägung ziehen und mit internationalen Behörden besser kooperieren.

Des Weiteren wird den europäischen Aufsichtsausschüssen für Banken (CEBS), Versicherungen und Pensionen (CEIOPS) sowie für Wertpapiere (CESR) die Rolle zukommen, auf eventuell drohende Krisen hinzuweisen. Die Unterzeichner formulierten ihren Wunsch nach höherer Transparenz für Investoren und verbesserten Standards bei Ratingagenturen, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Ländern bewerten. Allein fromme Wünsche werden hier nichts nützen.

Die aktuell schwelende Krise hat aus linker Sicht dennoch ein positives Moment. Sie ist die Gelegenheit, den ewigen ideologischen Predigern für die wundersamen Selbstheilungskräfte des Marktes und seine per se um-fassenden Wohlstand garantierende Funktionsweise endlich Einhalt zu gebieten. Dass Märkte nur funktionieren können, wenn ihnen ein wohlüberlegtes Reglement zu Grunde liegt, hat sich mittlerweile selbst in der Finanzwissenschaft herumgesprochen.
Wir verlangen Regelungen, um dem stetigen Auseinanderdriften von Finanz- und Realwirtschaft entgegenzuwirken.

Die Börsenumsatzsteuer aus dem Handel mit Wertpapieren könnte dazu beitragen, die Kursmanipulation durch Spekulation einzudämmen, eine Form der Tobin-Steuer, den kurzfristigen spekulativen Handel
mit Devisenschwankungen zu verringern. Private Ratingagenturen sind durch öffentliche zu ersetzen,
die Finanzaufsicht muss verstärkt werden, Vorstände und Aufsichtsräte müssen finanziell haftbar sein.