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"Bonn braucht die Ministerien nicht"

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann,

Morgen wird die Linksfraktion im Bundestag den Komplettumzug aller verbliebenen Bundesministerien von Bonn nach Berlin bis zum Jahre 2012 beantragen. Mit der parlamentarischen Geschäftsführerin der Linken, der
Brandenburgerin Dagmar Enkelmann, sprach darüber Henry Lohmar.

Frau Enkelmann, warum wollen Sie den Komplettumzug?

Enkelmann: 15 Jahre nach der Entscheidung über den Regierungsumzug sollte man die Bundesregierung endlich zusammenführen. Die Pendelei kostet jährlich rund 17 Millionen Euro. Aber es ist auch eine arbeitstechnische Frage. Nicht alles lässt sich per Telefon lösen.

Der Bundesrechnungshof hat davor gewarnt, dass ein Umzug Milliarden verschlingen würde. Wäre eine Zweiteilung nicht wirtschaftlicher?

Enkelmann: Nicht unbedingt. Es gibt in Berlin und auch in Brandenburg eine Reihe von leer stehenden Gebäuden, die geeignet wären, ein Bundesministerium aufzunehmen. Wenn man die nutzte, könnte man schon mal die immensen Kosten für einen Neubau sparen.

Welche Objekte in Brandenburg kommen Ihnen da in den Sinn?

Enkelmann: Ich denke zum Beispiel an Liegenschaften in Wünsdorf oder Strausberg.

Und was wird aus Bonn?

Enkelmann: Da mache ich mir gar keine Gedanken. Bonn hat sich prächtig entwickelt. Nach dem Umzug sind etwa 20 000 neue Arbeitsplätze entstanden, viele internationale Einrichtungen haben sich niedergelassen. Die Stadt ist nicht mehr auf die Ministerien angewiesen.
Berlin dagegen schon.

Enkelmann: Für das klamme Berlin wäre das ein angenehmer Nebeneffekt - gerade nach der Abfuhr aus Karlsruhe. Aber darum geht es nicht. Man kann
in der Welt kaum jemandem erklären, weshalb in einer Hauptstadt nur ein Teil der Regierung sitzt.

Sie waren 1991 im Bundestag dabei, als der Regierungsumzug beschlossen wurde. Damals ging der Streit quer durch die Fraktionen. Wie schätzen
Sie heute die Stimmung ein?

Enkelmann: Es gibt in den Fraktionen durchaus viele, die sagen: Jetzt ist es Zeit, neu darüber nachzudenken. Insofern kann man über Mehrheiten nichts sagen. Aber ich glaube, es lohnt sich, in den Ausschüssen darüber
zu reden. Deshalb wollen wir das Thema auch dorthin überweisen.

Die Bundesregierung, auch die Kanzlerin selbst, will am
Bonn/Berlin-Gesetz in seiner jetzigen Fassung festhalten. Glauben Sie wirklich, dass es angesichts dessen Mehrheiten für einen Komplettumzug gibt?

Enkelmann: Es wäre durchaus möglich, ähnlich wie 1991
fraktionsübergreifend zu einer Korrektur zu kommen.