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Bochum braucht Zukunft

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dagdelen





General Motors hat seine Entscheidung, den Opel-Standort Bochum ab 2016 zu schließen, mit Verweis auf die roten Zahlen seiner Tochter gerechtfertigt. Schaut man sich aber die Entwicklung der Verkaufszahlen an, wird schnell klar, dass die Krise bei Opel zum einen durch GM hausgemacht ist und zum anderen die europäische Kürzungspolitik von Angela Merkel mit Opel Bochum ihr erstes größeres Opfer auch in Deutschland gefordert hat.

In der Tat sank der Absatz des angeschlagenen Autobauers im ersten Halbjahr 2012 um 15 Prozent auf 457 630 Fahrzeuge. Der europäische Marktanteil von Opel ging von von 7,6 auf 6,9 Prozent zurück. Opel bleibt damit nach VW und Renault aber die meistverkaufte Marke in Europa. Kern des Problems ist der massive Einbruch der Konjunktur im Süden Europas. So wurden im ersten Halbjahr 2012 in der EU 6,64 Millionen Pkw neu zugelassen, 6,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Davon ist gerade Opel stark betroffen, weil es auf den südeuropäischen Märkten sehr präsent war. Dort kauft allerdings kaum noch jemand Autos. In Deutschland läuft diese Entwicklung zeitversetzt ab. So konnte in den ersten sechs Monaten 2012 die Zahl der Neuzulassungen neben Großbritannien nur in der Bundesrepublik erneut um 0,7 Prozent auf 1,63 Millionen PKW zulegen, während in Frankreich ein Einbruch um 14,4 Prozent auf 1,23 Millionen zu verzeichnen war. Während andere Automarken Teile des europäischen Verlusts durch verstärkte Aktivitäten auf Märkten in China und Indien abfederten, ist dies für Opel nicht möglich, da GM dessen Export in diese Länder administrativ verhindert hat, um seine eigenen Zahlen zu verbessern. So lässt sich mit Fug und Recht sagen, dass die roten Zahlen von Opel Teil der schwarzen Zahlen des US-Autobauers sind. GM fuhr 2011 den größten Gewinn seit über 100 Jahren in seiner Firmengeschichte ein, und selbst 2012 bleibt trotz des Einbruchs bei Opel ein ordentlicher Milliardengewinn für GM. Angesichts einer solchen Unternehmensstrategie darf vermutet werden, dass die Schließung von Opel Bochum erst der Anfang vom Ende der Marke Opel ist.

Während die Beschäftigten bei Opel Bochum um den Erhalt ihrer über 3000 Arbeitsplätze kämpfen, an denen insgesamt rund 45 000 Arbeitsplätze in der Region hängen, legt die Bundesregierung die Hände in den Schoß. Auch die rot-grüne Landesregierung will es bei moralischen Appellen an GM belassen. Dabei ist die soziale Situation im Ruhrgebiet bereits jetzt dramatisch. Die Armutsquote in Duisburg liegt bei 24, in Dortmund bei 23,5 Prozent, in Essen sind über 30 Prozent der Kinder von öffentlichen Leistungen abhängig. Es geht auch deshalb um viel mehr als den Erhalt von Opel Bochum. Das Ruhrgebiet droht zu kippen.

Damit es eine Zukunft des Autobauers gibt, muss die Eigentumsfrage gestellt werden. Der notwendige Umbau zu einem sozial-ökologischen Mobilitätskonzern in Zukunft wird nicht ohne eine innovative Herauslösung aus GM und eine breit aufgestellte Vergesellschaftung zu machen sein. Gregor Gysi, mit dem gemeinsam ich kürzlich Opel Bochum besucht habe, hat die richtige Initiative ergriffen und den Kontakt zur US-Botschaft gesucht, da GM zu über 25 Prozent Staatsbetrieb ist. Statt den nächsten Krieg an der Seite der USA führen zu wollen, wäre die Bundesregierung gut beraten, ihre guten Beziehungen mit der US-Regierung für Verhandlungen über Opel zu nutzen. Dazu kommt, dass der Kampf der Beschäftigten um den Erhalt von Opel nur als Kampf gegen Merkels europäische Kürzungsdiktate Sinn macht.

Neues Deutschland, 28. Dezember 2012