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Blockiert die neoliberale Festung Europas

Kolumne von Sahra Wagenknecht,

 

Von Sahra Wagenknecht, Erste Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE

 

Am Mittwoch, dem 18. März, werden wieder tausende Menschen in Frankfurt gegen die unsoziale und undemokratische Totsparpolitik in Europa demonstrieren. Der Ort des Protestes könnte nicht besser gewählt sein: Die Europäische Zentralbank ist die mächtigste Institution der EU. Sie ist die Herrin über unser Geld, eine undemokratische Schattenregierung, die ihre Macht gnadenlos ausnutzt, um linke Politikansätze bereits im Keim zu ersticken. Das Programm der EZB lässt sich auf einen Begriff bringen: Es geht um den „shareholder value“, um die Interessen der Aktionäre, der reichen Oligarchen, der Hedgefonds und Zombiebanken, denen die EZB Billionensummen in den Rachen schmeißt, während die Spargroschen der Mittelschicht durch die Niedrigzinspolitik immer mehr zusammenschrumpfen und der einfachen Bevölkerung gnadenlose Lohn- und Sozialkürzungen diktiert werden.

 

Der Aufstieg der EZB zur „einzig funktionierenden europäischen Regierung“ (Handelsblatt) ist die Folge massiven Politikversagens in Deutschland und Europa. Wahrscheinlich wäre die Eurozone bereits auseinandergebrochen, wenn die EZB im September 2012 nicht angekündigt hätte, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen europäischer Krisenländer zu kaufen. Erst mit diesem Schritt konnte die massive Finanzspekulation gegen zahlreiche Euroländer eingedämmt und deren Kreditkosten wieder gesenkt werden. Doch für diese Art der Eurorettung musste die Bevölkerung teuer bezahlen, denn im Gegenzug mussten sich die Länder drastischen Sozialkürzungen und neoliberalen „Reformprogrammen“ unterwerfen. Vom Ideal einer unabhängigen und unparteiischen Institution hat sich die EZB im Zuge des Krisenmanagements immer weiter entfernt. Stattdessen mischt sie sich immer dreister in die Regierungspolitik einzelner Länder ein, obwohl ihr das nach europäischem Recht verboten ist. Zum Beispiel wurden Irland und Zypern massive Kredite aufgenötigt, mit denen private Gläubiger „gerettet“ und die Kosten dafür der einfachen Bevölkerung aufgebürdet wurden. Aber auch die spanische oder die italienische Regierung erhielten Drohbriefe von der EZB mit Forderungen nach Haushalts- und Rentenkürzungen sowie neoliberalen „Reformen“ der Arbeitsmärkte à la Hartz.

 

Wie die EZB ihre Macht missbraucht, um eine gewählte Regierung zu Fall zu bringen und unsoziale Reformen zu erpressen, sehen wir derzeit am Beispiel Griechenlands. Auf den Wahlsieg von Syriza reagierte die EZB mit einer Verschlechterung der Kreditkonditionen und droht der griechischen Linksregierung inzwischen ganz offen damit, den dortigen Banken den Geldhahn abzudrehen. Auch mit dem billionenschweren Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen, das in diesem Monat angelaufen ist, soll der griechischen Regierung das Wasser abgegraben werden. Denn bei diesem Programm geht es nicht nur um die Bekämpfung gefährlicher Deflationstendenzen. Gleichzeitig werden die Staaten der Eurozone vor den ökonomischen Folgen eines möglichen »Grexit« abgeschirmt, was die Verhandlungsposition der griechischen Regierung massiv schwächt. Gipfel des Irrsinns ist, dass mit Griechenland und Zypern ausgerechnet jene Länder vom Aufkaufprogramm der EZB ausgeschlossen sind, die es am dringendsten benötigen würden.

 

Die EZB könnte die griechische Krise von heute auf morgen beenden, wenn sie eine Umschuldung ermöglichen und mit langfristigen und zinsgünstigen Krediten unter die Arme greifen würde, statt ihre Macht für eine widerliche Erpressungspolitik zu missbrauchen. Die EZB könnte ganz Europa auf einen nachhaltigen Wachstumskurs bringen und die Deflation bekämpfen, ohne dass die Sparguthaben der Mittelschicht aufgezehrt, neue Spekulationsblasen produziert werden und darüber hinaus ein globaler Währungskrieg angeheizt wird.

Die unsozialen Spardiktate der »Institutionen« EZB, IWF und EU-Kommission müssen endlich durch eine Investitionsoffensive ersetzt werden, die sinnvolle Arbeitsplätze schafft und den sozialökologischen Umbau vorantreibt. Die EZB kann und sollte die nötigen Mittel für ein solches Aufbauprogramm bereitstellen, statt eine Billion Euro in die Finanzmärkte zu pumpen und damit wieder nur die Reichsten zu mästen. Die Europäische Zentralbank ist die neoliberale Festung Europas, die von der Bevölkerung immer höhere Tribute verlangt. Diese Festung muss geschleift werden, damit der Weg für ein soziales und demokratisches Europa frei werden kann. In diesem Sinne: Blockieren wir gemeinsam die neoliberale Festung Europas, demonstrieren wir gemeinsam gegen die unsoziale europäische Kürzungs- und Privatisierungspolitik!

 

linksfraktion.de, 17. März 2015