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Bildung ist Menschenrecht

Interview der Woche von Nicole Gohlke,

Bildung wollte die schwarz-gelbe Bundesregierung zum Schwerpunktthema machen. Hier wollte sie investieren, nicht sparen. Herausgekommen sind schwindende Mittel für die Hochschulen, ein weiter mageres BAföG, eine immer mehr auf private Geldgeber angewiesene Finanzierung von Forschung und die Abkehr von sozialen Kriterien bei der Förderung von Studierenden. Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, äußert sich dazu im INTERVIEW DER WOCHE.

In diesem Wintersemester haben sich an den deutschen Hoch- und Fachhochschulen 5% mehr junge Menschen für ein Studium eingeschrieben als im Jahr zuvor. Damit setzt sich ein Trend fort, der Anlass zur Freude gibt, oder?

Nicole Gohlke: Ja, natürlich. In den nächsten Jahren werden es noch mehr werden, aufgrund doppelter Abiturjahrgänge und der Aussetzung der Wehrpflicht. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Hochschulen auch darauf vorbereitet sind. Im Moment wird ihnen das Geld allerdings zusammengestrichen. Das kann nicht gut gehen. Wir sind außerdem noch lange nicht da, wo wir hinwollen: In Deutschland studieren viel weniger Menschen als in vergleichbaren Industrieländern. Es fehlen tausende Studienplätze, Bewerberinnen und Bewerber werden reihenweise abgewiesen oder in Warteschleifen geschickt, jetzt auch noch beim Übergang vom Bachelor zum Master.

 

Wie sieht es denn aus mit der sozialen Herkunft der Studierenden? Im Juli meldete das Statistische Bundesamt, dass die Zahl der BAföG-Berechtigten gestiegen sei. Ist das nicht ein Beleg dafür, dass nicht nur Kinder reicher Eltern studieren können, sondern alle?

Für uns ist Bildung ein Menschenrecht. Es darf nicht nur auf dem Papier stehen. In wenigen westeuropäischen Ländern hängt es so sehr wie in Deutschland vom Status der Eltern ab, welche Bildung man bekommt. Das BAföG ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Es reicht nicht für den Lebensunterhalt und das Studium. Viele, die eigentlich Anspruch hätten, nehmen auch deshalb gar kein Studium auf. Auch von den BAföG-berechtigten Studierenden nehmen sehr viele das BAföG nicht in Anspruch. Die meisten bekämen ja nicht den Höchstbetrag, sondern deutlich weniger. Außerdem wollen sich viele Studierende nicht verschulden. DIE LINKE will ein ausreichendes BAföG – und zwar als Zuschuss, nicht als Kredit an die Studierenden.

 

Dann gibt es aber doch noch das Stipendienprogramm der Bundesregierung …

Ja, Bildungsministerin Schavan hat das sogar eine Revolution in der Studienförderung genannt. Für eine Revolution fällt es zunächst sehr bescheiden aus: Es sollen im nächsten Jahr ja gerade einmal 6000 Stipendien vergeben werden. Es geht aber um das Prinzip: Union und FDP wollen letztlich soziale Kriterien aus der Ausbildungsfinanzierung tilgen und stattdessen zur Eliteförderung übergehen. Wir wollen gute Bedingungen für alle Studierenden, an allen Hochschulen. Das Stipendienprogramm ist außerdem im Kern antidemokratisch. Die Hochschulen sollen bei den Unternehmen auf Betteltour gehen, um die Stipendien ko-finanzieren und vergeben zu können, und die Stipendiatinnen und Stipendiaten sollen den privaten Gönnern gegenüber dankbar sein. Eine demokratische Hochschule muss aber unabhängig sein von den partikularen Interessen der Unternehmen.

 

Am 3. Dezember lädt die Fraktion DIE LINKE zur großen Studierendenkonferenz. Was erwarten Sie von der Veranstaltung?

An den Hochschulen ist eine Menge los. Studierende und Lehrende engagieren sich gegen Rüstungsforschung. In vielen Bundesländern gab es wichtige Proteste gegen Kürzungen und die Bologna-Reformen. In Hessen, im Saarland und wohl auch in NRW ist es gelungen, die Studiengebühren zu Fall zu bringen. Wir wollen diskutieren, wie es weitergeht. Das wird ein spannendes Arbeitstreffen.

 

linksfraktion.de, 29.11.2010