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Betriebliche Mitbestimmung: Bundesregierung tappt im Dunklen

Nachricht von Jutta Krellmann,

Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht uneingeschränkt für alle Branchen. Über eine Million Beschäftigte in Deutschland haben nur eingeschränkte Mitbestimmungsrechte, weil sie in solchen Branchen arbeiten oder über Werkverträge beschäftigt sind. Die Bundesregierung hat kaum Erkenntnisse über die Leerstellen bei der betrieblichen Mitbestimmung. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung (PDF) auf eine Kleine Anfrage von Jutta Krellmann.

In Betrieben der Personen- oder Güterförderung in der Luftfahrt, vorrangig in Luftbetrieben, ist der Anteil der Beschäftigten zwischen 2008 und 2018 um 18 Prozent gestiegen (auf 67.527). Hier war bis April 2019 eine Interessenvertretung nur per Tarifvertrag möglich. Die Anzahl der Beschäftigten in Betrieben der Seeschifffahrt ist im gleichen Zeitraum um 8,1 Prozent (auf 37.812) und die Anzahl der Beschäftigten auf Schiffen unter deutscher Flagge um 44,4 Prozent (auf 8.172) gesunken. Die deutsche betriebliche Mitbestimmung ist auf Schiffe beschränkt, welche unter deutscher Flagge fahren. In Tendenzbetrieben (z. B. Rundfunkanstalten, Privatschulen und Forschungsinstitute) wird die Mitbestimmung durch den Tendenzschutz eingeschränkt. Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über die Anzahl der Beschäftigten in Religionsgemeinschaften und ihren karitativen (z. B. Caritas und Diakonie) und erzieherischen Einrichtungen; über die Zahl der Feststellungsanträge, um die Tendenzeigenschaft von Betrieben zu prüfen und wie häufig Gerichte geprüft haben, inwieweit der Tendenzschutz das entsprechende Mitbestimmungsrecht einschränkt.

Forschungsergebnisse des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zeigen, dass fast 90 Prozent der Unternehmen Werkverträge nutzen, um Kernprozesse auszulagern. Mehr als die Hälfte der Unternehmen nutzen Onsite-Werkverträge (55 Prozent), also Fremdarbeitnehmer, die auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers tätig sind - in der Unterscheidung zu Offsite-Werkverträgen, die außerhalb des Betriebes erbracht werden. In jedem fünften Fall üben Beschäftigte mit Werkverträgen hier die gleiche Tätigkeit aus wie die Stammbelegschaft (20 Prozent). Nach Ansicht befragter Betriebsräte bestehen bezüglich dem Einsatz von Werkverträgen bei 33 Prozent der Unternehmen keine Absprache zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat.


O-Ton Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit für DIE LINKE im Bundestag: 
„Das Betriebsverfassungsgesetz muss ausnahmslos für alle Beschäftigte gelten. Die Bundesregierung schwadroniert von einer zentralen Säule der sozialen Marktwirtschaft, tappt aber bei den Leerstellen der betrieblichen Mitbestimmung im Dunklen. Immer mehr Beschäftigten wird die Möglichkeit genommen einen Betriebsrat zu gründen. Dadurch wird ihnen das Recht vorenthalten, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Das ist ein Unding. Demokratie muss es in jedem Betrieb geben: Die Flucht vor der Mitbestimmung durch Werkverträge muss aufhören. Auch Sonderrechte für die Kirchen darf es im 21. Jahrhundert nicht mehr geben“.  

Die Auswertung der Ergebnisse im Einzelnen können Sie hier als PDF herunterladen.