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»Beim Kampf gegen Kindesmissbrauch keine Zeit verstreichen lassen«

Im Wortlaut von Herbert Behrens,

Herber Behrens, stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses Neue Medien des Bundestages, über die Expertenanhörung zum Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet

Im Bundestag hat am 25. Oktober der Unterausschuss neue Medien getagt. Worum ging es dabei?

Wir haben uns mit dem Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet befasst - einem sehr sensiblen und schwierigen Thema. Dazu hatten wir Sachverständige eingeladen, die uns aus technischer Sicht darstellten, welche sinnvollen Möglichkeiten es überhaupt gibt, die Verbreitung solcher Bilder zu verhindern.

Dieses Thema kann niemand ohne Emotionen angehen. Wie war die Stimmung bei der Sitzung?

Wenn wir über sexuellen Missbrauch von Kindern sprechen, dann ist es schwer, sich ohne Emotionen damit auseinanderzusetzen. Wenn es aber darum geht, einen gesetzlichen Weg zu finden, um die Bilder von Missbrauchsfällen unzugänglich zu machen, dann müssen wir eine sachliche Ebene finden, ohne dabei allerdings zu vergessen, worüber wir reden. Diese Stimmung war bei der Anhörung der Fachleute da. Ich habe den Eindruck, dass jede und jeder im Ausschuss neben den eigenen Positionen auch die der Ausschusskolleginnen und -kollegen und auch der Fachleute geprüft und abgewogen hat, um eine Lösung zu finden.

Welche Erkenntnisse und Informationen haben die Sachverständigen vorgetragen?

Die Fachleute erläuterten uns insbesondere die Probleme, die im Internet entstehen, wenn dort eingestellte Inhalte nicht mehr zugänglich sein sollen. Wir erinnern uns an die heftige Debatte, es gäbe eine Wahl zwischen Löschen und Sperren von Inhalten im Netz. Weder das eine noch das andere führt dazu, dass die Inhalte auch wirklich nicht mehr verfügbar sind. Wenn wir also den psychischen Schutz von Missbrauchsopfern ernst nehmen, dann muss deren Darstellung sofort nach Entdeckung im Netz gelöscht werden.

Warum Inhalte von Webseiten löschen und nicht deren Zugang sperren?

Jede Art von Sperre kann umgangen werden. Eine unumgängliche Sperre gibt es nicht, dies bestätigten auch die Experten. Für mich steht aber auch die Würde der Opfer im Mittelpunkt, daher kommt nur ein Löschen in Frage. Mit einem eingeblendeten Stoppschild vor einem solchen Bild geht der Missbrauch immer weiter, denn das Material verbirgt sich nur dahinter. Eine Wohnung mit dem Dreck unter dem Teppich ist auch keine saubere Wohnung. Daneben war es interessant zu erfahren, dass in anderen Ländern, die Internetsperren einsetzen, keine wirklichen Bemühungen mehr unternommen wurden, das Material zu löschen.

War auch Zensur ein Thema?

Natürlich. Eine Internetsperre - was auch immer sie sperrt - ist eine Zensur. Wenn Internetsperren eingerichtet werden sollten, ist Tür und Tor geöffnet, auch andere unliebsamen Internetseiten zu sperren. Das kann auch Meinungsseiten treffen.

Welche Fragen haben die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gestellt?

Wir haben unseren Schwerpunkt darauf gelegt, dass die Fachleute aus technischer Sicht erklären, welche Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen sinnvoll sind und welche nicht. Wir können jetzt noch besser bewerten, ob das im vergangenen Jahr beschlossene Zugangserschwerungsgesetz in der Versenkung verschwinden muss.

Wie geht es weiter?

Ich bin mit der Erkenntnis aus der Anhörung gegangen, dass wir nicht nur auf den Skandal der Darstellung von Kindesmissbrauch im allgemein zugänglichen Internet gucken dürfen. Die Experten haben deutlich gemacht, dass Bilder dieser Art weit überwiegend in geschlossenen Foren und Peer-to-peer-Groups ausgetauscht werden, wo es also direkte Kontakte zwischen Anbietern gibt. Das heißt, wenn wir die Verbreitung dieser Inhalte verhindern wollen, reden wir nicht mehr über Sperren oder Löschen im Internet. Wir reden über eine wirkungsvollere Strafverfolgung.

Was heißt das nun für die parlamentarische Arbeit in den nächsten Monaten?

Wir haben die Experten gefragt, ob wir zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich schon genug darüber wissen, wie das heute schon angewendete Melden und Löschen von illegalen Angeboten wirkt. Und verglichen mit einer Behörde, die Sperrlisten erstellt, ist "Melden und Löschen" wirkungsvoller, aber eben noch längst nicht alles: Wir dürfen beim Kampf gegen Kindesmissbrauch keine Zeit verstreichen lassen. Präventionsprogramme und Hilfsangebote für Opfer müssen erhalten bleiben. Für unsere parlamentarische Arbeit bedeutet das, die Kürzungen im Sozialbereich zu verhindern. Denn Kürzungen im Sozialbereich fallen auch solche Projekte zum Opfer. Dabei hat die Verhinderung von Missbrauch und die Behandlung von Opfern oberste Priorität. Deswegen werden wir sachlich und problemorientiert, wie das in der Anhörung überwiegend der Fall war, an Gesetzen zur Verbesserung der Strafverfolgung in Fällen von schwerem Kindesmissbrauch arbeiten.

www.linksfraktion.de, 27. Oktober 2010