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Bahnprivatisierung ist Verschleuderung von Volksvermögen

Interview der Woche von Dorothée Menzner,

Interview mit Dorothée Menzner, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.

Warum lehnt DIE LINKE die geplante Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG ab?

Die Werte der Deutschen Bahn wurden von Generationen von Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern geschaffen. Sie gehören dem Volk. Der Wert der Bahn beträgt 200 Milliarden Euro. Ein Verkauf, egal ob an Großinvestoren wie Hedgefonds und Gazprom oder als Volksaktie, würde nur einen Bruchteil dieses tatsächlichen Wertes einbringen. Auf die Volksaktie möchte ich gar nicht weiter eingehen, auch die Bahn hat schon darauf hingewiesen, dass das Modell erhebliche Nachteile mit sich brächte. Diese Idee ist wirklich nicht zu Ende gedacht. Experten sind sich sicher, dass der Erlös einer Kapitalprivatisierung im glücklichsten Fall fünf Milliarden Euro betragen würde. Also ein klarer Fall der Verschleuderung von Volksvermögen. Schon jetzt sind die finanziellen Versprechungen der Bundesregierung an die Bundesländer höher als ein möglicher Verkaufserlös der Bahnanteile. Das hat mit seriöser Politik nichts mehr zu tun.

Um wie viel Geld geht es neben der genannten Summe überhaupt?

Einfach gesagt: um viel zu viel. Die Bahn erhält heute vom Bund jährlich 2,5 Milliarden Euro für den Streckenunterhalt. Dazu kommen die Einnahmen aus den Regionalisierungsgeldern für den Schienenpersonennahverkehr. In diesem Bereich beherrscht die DB AG nach wie vor den Markt und erhält allein rund vier Milliarden Euro von den knapp sieben Milliarden, die dafür ausgegeben werden. Dazu kommen mit immerhin noch einmal anderthalb Milliarden die Zuwendungen für Streckenneubauten - auch aus dem Bundeshaushalt. Seit der institutionellen Privatisierung der Bahn 1994 flossen somit schon 130 Milliarden Euro in die Kassen der Bahn. Diese Zuwendungen sollen weiter fließen. Trotzdem wird immer wieder beklagt, dass das Schienennetz teilweise nicht ausreichend unterhalten wird und die DB AG ihren Aufgaben nicht nachkommt.
Auf der anderen Seite kauft Bahnchef Mehdorn weltweit Logistikunternehmen wie Schenker oder Bax Global, um im internationalen Konzert der Großlogistiker mitzuspielen. Das kann aber nicht die Aufgabe eines im Staatsbesitz befindlichen Unternehmens sein. Schließlich hat die Deutsche Bahn nach dem Grundgesetz, Artikel 87, einen Auftrag, der sie zu gemeinwirtschaftlichem Handeln verpflichtet. Diese Verpflichtung im eigenen Land passt einfach nicht zu der Idee, sich als Global Player zu profilieren.

Welche parlamentarischen Initiativen der Fraktion gibt es gegen den Verkauf der Bahn?

Seitdem DIE LINKE im Bundestag vertreten ist und auch, als sie noch PDS hieß, hat sie sich immer wieder gegen eine Privatisierung der Bahn ausgesprochen. In dieser Woche wird ein Antrag unserer Fraktion im Bundestag behandelt werden, der den Stopp der Privatisierungspläne fordert. Diese Forderung wird von allen Oppositionsparteien mitgetragen. Viele Bahnbeschäftigte, Parlamentarier fast aller Fraktionen, die Mehrheit der Länderverkehrsminister und mit 64 Prozent auch der Bevölkerung lehnen die derzeitigen Pläne zur Kapitalprivatisierung der Bahn AG ab. Ich bin gespannt, wie sich das im Parlament niederschlagen wird. Wir werden ja sehen, ob so manchen großen Reden nun auch entsprechendes Handeln folgt oder wieder einmal Koalitionsdisziplin vor Vernunft und besseres Wissen geht.

Aber Tiefensee und Mehdorn sowie große Teile der Regierungskoalition wollen noch in diesem Jahr das Gesetz auf den Weg bringen. Ist das denn noch zu verhindern?

Ich denke ja. Doch dafür reichen parlamentarische Initiativen allein nicht aus. Der Druck muss auch von unten kommen, von den Eisenbahnern selbst, von Fahrgastverbänden, Gewerkschaften, Umweltschutzverbänden, aus der Mitgliedschaft aller Parteien, von der kommunalen bis zur Landesebene. Einfach von allen, die die Privatisierungspläne ablehnen. Jeder kann und sollte zum Beispiel an seine Wahlkreisabgeordnete oder seinen Wahlkreisabgeordneten schreiben und sie bzw. ihn auffordern, die Bahnreform abzulehnen.

Sollte die Kapitalprivatisierung scheitern, welche Zukunft hat dann die Deutsche Bahn?

Auf jeden Fall eine bessere als mit dem Verkauf der Anteile. Aber erst einmal müssen wir die Kuh der Kapitalprivatisierung vom Eis haben. Wir denken, es müsste eine Lösung gefunden werden, die mit der Auflösung der DB-Holding einhergeht, so wie von den Müttern und Vätern der Bahnreform ursprünglich angedacht. Denn es kann nicht sein, dass der Marktbeherrscher im Personen- und Güterverkehr auch das Netz beherrscht. Genau darum dreht sich ja derzeit die Debatte, ob die DB AG als ein den Kapitalinteressen ausgesetzter Betrieb die Verfügungsgewalt über das Schienennetz besitzen darf. Das Grundgesetz sieht das anders. Und auch das jüngste Bahngutachten stuft den Gesetzentwurf in dieser Beziehung als verfassungswidrig ein. Stellen Sie sich vor, VW würde die Autobahn verwalten und für seine Kunden weniger Maut berechnen als für Fahrer anderer Marken. Oder die Lufthansa hätte hierzulande die Verfügungsgewalt über die Flughäfen. Da könnten Air Berlin, Germanwings oder Easyjet gleich einpacken. Allgemeine Infrastruktur wie Stromleitungen, Telefonkabel, Autobahnen und Wasserstraßen oder eben Schienenwege, die in Arbeitsteilung von mehreren Unternehmen genutzt wird, kann nicht dem Diktat eines einzelnen Anbieters unterworfen werden. Deshalb brauchen wir ein eigenständiges und öffentlich verwaltetes Schienennetz. Als starken Partner der großen und der vielen kleineren privaten und landeseigenen Eisenbahnen. Wir haben Elemente eines zukünftigen Bahnkonzeptes vorgelegt und würden sie gern mit allen Interessenten diskutieren.

linksfraktion.de, 21. September 2007