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Ausgeliehen, ausgelagert, befristet

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Bundesregierung weitet prekäre Beschäftigung in eigenen Ministerien und Behörden massiv aus

In den letzten Jahren hat der Bund die prekäre Beschäftigung in den eigenen Häusern und Behörden massiv ausgeweitet. Ein Hausmeister kümmert sich wie sein Vorgänger um die Gebäude und Liegenschaften einer Behörde, erhält aber hunderte Euro weniger Lohn, weil er bei einem externen Dienstleister beschäftigt ist. Gleiches gilt für die Reinigungskraft oder auch für die Sekretärin, die als Leiharbeiterin in einem Ministerium arbeitet. Es gibt inzwischen hunderte, ja tausende solcher Fälle im Bundesdienst. Was für die Betroffenen Existenzsorgen wegen unsicher Beschäftigung und niedrigen Löhnen bedeutet, ist für Leiharbeits- und Fremdfirmen ein Riesengeschäft. Es geht um jährlich dreistellige Millionenbeträge.

Wie eine Kleine Anfrage bei der Bundesregierung ergab, sind inzwischen tausende Leiharbeitskräfte und zehntausende Beschäftigte in befristeten Verträgen und in ausgelagerten Bereichen tätig.

Die Fakten:

ausgeliehen: Von 2011 zu 2012 verdoppelte sich die Zahl der Leiharbeitskräfte im Bundesdienst von 1089 auf 2092. 2005 lag sie noch bei 145.

ausgelagert: In den zurückliegenden Jahren gliederte der Bund hunderte Arbeitsbereiche aus an Fremdfirmen, die oft deutliche schlechtere Löhne zahlen. Allein 2012 erledigten für den Bund 528 Fremddienstleister mit tausenden Beschäftigten Arbeiten, die der Bund vormals in Eigenriege erbracht. Das Auftragsvolumen: 400 Millionen Euro.

befristet: die Zahl der befristet Beschäftigten ist zwischen 2004 bis 2011 von 6.788 auf 13.212 gewachsen.

Leiharbeitskräfte wurden hauptsächlich für Krankheits- und Urlaubsvertretungen eingesetzt – ein eindeutiges Zeichen für Personalmangel. Dennoch wurden nach Angaben der Bundesregierung nur 1,1 Prozent der Leiharbeitskräfte übernommen. Der vermehrte Einsatz von Leiharbeit im Bundesdienst wurde schon von der Vorgängerregierung aus Union und SPD betrieben. 2005 lag die Zahl der beschäftigten Leiharbeitskräfte nur bei 145.

Bezahlt werden die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter meist nur nach den deutlich niedrigeren Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche. Wie schon in vorhergehenden Anfragen will die Bundesregierung nicht ausschließen, dass für den Bund beschäftigte Leiharbeitskräfte ihr Gehalt durch Hartz IV aufstocken müssen.

Was für die Beschäftigten ein Riesenproblem ist, ist für die Leiharbeitsfirmen ein großes Geschäft. Insgesamt beauftragte der Bund im letzten Jahr 106 Leiharbeitsfirmen und überwies diesen 12,4 Millionen Euro. Dabei hätten die Leiharbeitsfirmen auf die Stunde umgerechnet den doppelten bis fast dreifachen Betrag erhalten als das, was schließlich der Leiharbeitnehmer als Lohn bekam.

Einen enormen Zuwachs gab es auch bei der befristeten Beschäftigung. Ihre Zahl stieg von 2004 bis 2011 (neuere Zahlen liegen nicht vor) von 6.788 auf 13.212, ihr Anteil von 2,3 auf 5,1 Prozent. Damit sitzt inzwischen jeder zwanzigste beim Bund direkt Beschäftigte auf einer befristeten Stelle. 2004 war es noch etwa jeder vierzigste.

Die Befristung betrifft vor allem junge Beschäftigte. 40 Prozent waren zwischen 20 und 29 Jahren alt, weitere 32 Prozent 30 bis 39 Jahre. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer betrug 20 Monate.

Nur 11 Prozent der 2011 befristet Beschäftigten wurden übernommen. Dabei gibt es ähnlich wie bei der Leiharbeit deutliche Hinweise, dass die befristete Beschäftigung an einzelnen Stellen die zu knappe Personalbemessung ausgleichen soll. So werden als Gründe ein vorübergehender Arbeitskräfteeinsatz und Vertretung genannt.

Der größte Erdrutsch bei den Beschäftigungsverhältnissen erfolgte allerdings durch die Auslagerung von Tätigkeiten an Fremdfirmen mittels Werkvertrag. 2012 wurde in 91 Fällen vormals selbst erbrachte Tätigkeiten ausgelagert. Geht man bis ins Jahr 1997 zurück, beläuft sich die Zahl der erfassten Auslagerungen auf fast 945 Fälle.

Als Hauptgrund für die Auslagerung nannte die Bundesregierung „wirtschaftliche Gründe“, also Kosteneinsparungen. Zwangsläufig drückt das die Löhne. Auf Nachfrage teilt die Bundesregierung mit, sie hätte „keine näheren Erkenntnisse über die Arbeitsbedingungen bei Fremddienstleistern“, allerdings müssten sich diese an gesetzliche Bestimmungen wie etwa Branchenmindestlöhne halten. Das Problem ist jedoch, dass der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst meist deutlich bessere Vergütungen vorsieht als die Branchentarifverträge, die nur eine untere Haltelinie darstellen. So sind etwa drei Viertel der Fremddienstleister in den vier Bereichen Gebäudereinigung, Informationstechnik, Gastronomie und Wach- und Sicherheitsdienst zu finden. Der Branchenmindestlohn für die Gebäudereiniger liegt nur bei 7,56 Euro Ost/ 9 Euro West, der beim Sicherheitsgewerbe je nach Bundesland zwischen 7,50 und 8,90 Euro. In der Gastronomie und der IT gibt es gar keine Branchenregelungen.

Über die Zahl der in den ausgelagerten Bereichen tätigen Beschäftigten kann die Regierung keine Angaben machen. Allerdings waren 2012 für den Bund 528 Fremddienstleister tätig und damit doppelt so viel wie vor zehn Jahren (263) und viermal so viel wie 1997 (142). Die Zahl der Beschäftigten dürfte sich also auf Tausende, wenn nicht Zehntausende belaufen. Bei der Verlagerung vormals vom Bund selbst erbrachten Tätigkeit geht es inzwischen um viel Geld. 2012 vergab der Bund Aufträge im Wert von 400 Millionen Euro, soviel wie noch nie. 1997 waren es erst 4,3 Millionen Euro gewesen. Über den gesamten Zeitraum beläuft sich das Leistungsvolumen inzwischen auf zwei Milliarden Euro. Für nicht wenige Firmen eine erträgliches Geschäft, auch weil sie ihren Mitarbeitern deutlich schlechtere Löhne bezahlen.

Ob die Auslagerungen auf lange Sicht günstiger sind, ist fraglich. Denn der Kostendruck der Auslagerungen führt nicht nur zu miserablen Arbeitsbedingungen und Löhnen für die Beschäftigten, sondern nicht selten zu qualitativ schlechteren Dienstleistungen. Wie die Bundesregierung mitteilt, gibt es inzwischen einige Ministerien und Behörden, die Aufgaben rückverlagern und wieder in Eigenregie betreiben. Als Gründe werden „Wirtschaftlichkeitsüberlegungen“ und „Qualitätsdefizite beim Fremddienstleister“ genannt.

 

linksfraktion.de, 18. Februar 2013