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Auf dem rechten Auge blind

Im Wortlaut,

Verfassungsschutz und Regierung in der Kritik

Von Aert van Riel

Die Morde, die wohl die Thüringer Nazis begangen haben, lassen weiter viele Fragen offen. Etwa welche Rolle der Verfassungsschutz hierbei gespielt hat. Die Opposition fordert eine schnelle Aufklärung.

Mehr als zehn Jahre lang konnte das rechtsextreme Trio offenbar unbehelligt Migranten in der Bundesrepublik umbringen. Auch der Verfassungsschutz hatte nicht gehandelt und steht deswegen nun massiv in der Kritik. »Die Verfassungsschutzämter haben offensichtlich die rassistischen Hintergründe der Mordserie nie ernsthaft ausgeleuchtet«, monierte Wolfgang Neskovic, Justiziar der Linksfraktion. Die Rolle des Verfassungsschutzes müsse nun aufgeklärt werden, forderte er. Dies dürfe aber nicht den Innenministerien überlassen werden, sondern hiermit solle sich das Parlamentarische Kontrollgremium mithilfe eines Sachverständigen befassen. Das Kontrollgremium für die Geheimdienste wird voraussichtlich heute zu dem Thema tagen.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sagte: »So wie es aussieht, ist der Verfassungsschutz Teil des Problems, nicht der Lösung«. Es müsse geklärt werden, welche Verbindungen die Terroristen zur mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchdrungenen NPD und zur Kameradschaftsszene hatten.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte die Gefahren durch Rechtsextreme bisher offensichtlich falsch eingeschätzt. Grünen-Chefin Claudia Roth erinnerte daran, dass Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) mit ihrem schwammigen Extremismusbegriff den Rechtsextremismus verharmlost habe und zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechts behindere. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) warf der Regierung Zögerlichkeiten im Kampf gegen Rechts vor. Die Zwickauer Gruppe bezeichnete er gegenüber der »Welt« als »größte Terrorzelle seit der Rote-Armee-Fraktion«.

Für Grünen-Fraktionschefin Renate Künast liegt das Problem auch in der mangelhaften Kooperation der Verfassungsschutzbehörden in Thüringen mit der Polizei und den bundesweiten Verfassungsschutzbehörden. Dies will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) künftig ändern. Er sprach sich in der »Bild«-Zeitung für eine bessere »Verzahnung von Polizei und Verfassungsschutz auf Länderebene« aus. Friedrich räumte ein, dass »zwischen der Mordserie und der rechtsextremen Szene in Thüringen kein Zusammenhang erkannt wurde«.

Neues Deutschland, 15. November 2011