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Ashtons Erfolge

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

In Afrika hängen immer mehr Staaten direkt von westlicher Militärhilfe ab. Interparlamentarische Konferenz der EU in Dublin agiert ohne Kontrollrechte

Von Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Sie gehörte der deutschen Delegation auf der Interparlamentarischen Konferenz in Dublin an



Vor gut zwei Jahren wurde mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) eine Mammutbehörde für eine europäische Außenpolitik geschaffen. Sie sollte von den nationalen Botschaften, über humanitäre Hilfe, Sanktionen und Finanztransfers bis hin zu Militärhilfe und Militäreinsätzen die Machtmittel der Mitgliedstaaten bündeln und die EU zum weltweit mächtigsten Akteur machen. Seitdem hat sich die Welt verändert. Im Südsudan ist ein neuer Staat enstanden, in Libyen und der Elfenbeinküste wurden Regime gewaltsam entfernt. In weiten Teilen Nord- und Ostafrikas sind heute Regierungen an der Macht, deren prekäre Macht von Finanz- und Legitimitätstransfers aus der EU abhängt. Von Mali über Niger und den Tschad bis nach Zentralafrika und Somalia ist ein Gürtel von Staaten entstanden, deren Regierungen sogar von unmittelbarer westlicher Militärhilfe abhängen.

So zynisch das klingen mag: All dies könnten EAD und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton als Erfolg für sich verbuchen. Zumindest hinsichtlich des Südsudan, der Elfenbeinküste, Libyens, Malis und Somalia tun sie das auch. Und trotzdem hagelt es allerorten Kritik, daß die EU zu wenig gemeinsam und entschlossen reagiere und sich zu oft gespalten zeige. So etwa beim informellen Treffen der EU-Außenminister am vergangenen Wochenende in Dublin. Beim ersten Teil des Treffens ging es um die Bewaffnung der syrischen Rebellen, beim zweiten dann um eine generelle Bilanz des EAD. Ashton geriet dabei so weit in die Defensive, daß sie irgendwann den Vergleich bemühte, »sie müsse ein Flugzeug fliegen, dessen Flügel noch nicht angefertigt seien«. Ein Flugzeug ohne Flügel, das aber mit voller Kraft vorausfliegt, ist am ehesten mit einer Rakete vergleichbar, in deren Flugbahn nicht mehr eingegriffen werden kann: Es fehlt nicht an Schub, sondern an Kontrolle. Das zeigte sich hinsichtlich Libyens und Malis und nun auch am Beispiel Syriens: Erst Ende Februar hatte der EU-Ministerrat einstimmig die Sanktionen gegen Syrien so geändert, daß Frankreich und Großbritannien den Rebellen wie gewünscht gepanzerte Fahrzeuge, militärische Ausrüstung und Militärausbilder schicken konnten. Nun wollen beide auch offiziell Waffen liefern und fordern eine weitere Lockerung der Sanktionen. Einige EU-Staaten lehnen das ab, und sie sind es, die nun mit dem Vorwurf konfrontiert werden, einer gemeinsamen Außenpolitik im Wege zu stehen.

Symptomatisch: Gerade die Uneinigkeit könnte dazu führen, daß die Sanktionen Anfang Juni gar nicht verlängert werden. Dann könnten Frankreich und Großbritannien Waffen liefern und die EU den Regime-Change in Syrien exekutieren, den sie mit der Anerkennung der Opposition und der Ablehnung des Dialogs mit dem Präsidenten Baschar Al-Assad längst eingeleitet hat. Es sind die Hardliner, die den Kurs bestimmen und ihre Kritik an der mangelnden Unterstützung liefert den Schub, indem sie jede Möglichkeit zum ernsthaften Umlenken negiert.

Diesem Zwecke dient auch die Interparlamentarische Konferenz zur »Kontrolle« der Außen- und Militärpolitik der EU, die nun zum zweiten Mal wieder im Anschluß an das informelle Treffen der EU-Außenminister, dieses Mal in Dublin, stattfand. Bereits beim ersten Treffen, vergangenen September in Zypern, wurde von einer Minderheit der teilnehmenden Parlamentarier der Entwurf der Geschäftsordnung kritisiert, wonach ihre Aufgabe darin bestünde, »den politischen Konsens« in der EU-Außenpolitik »durch Unterstützung eines geschlosseneren, kohärenteren und wirksameren Vorgehens der EU und ihrer Mitgliedsstaaten bei der Auseinandersetzung mit globalen Gefahren und Herausforderungen« zu stärken. Es war jedoch unklar geblieben, wer überhaupt Anträge zur Geschäftsordnung stellen und wie über diese abgestimmt werden könne.

Ähnlich wurde auf dem Treffen in Dublin agiert: Ohne jegliche Kontrollrechte und klare Geschäftsordnung erging sich die Interparlamentarische Konferenz in Selbstbeschäftigung. Wer sich als Außenpolitiker profilieren wollte, der forderte von Ashton und dem irischen Außenminister Eamon Gilmore (die einzigen, die neben dem Vorsitzenden des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, dem CDU-Politiker Elmar Brok, vom Außenministertreffen geblieben waren) mehr »Kohärenz« und »Entschlossenheit«. Immerhin gelang es einigen linken Abgeordneten, am Rande des Treffens eine gemeinsame Erklärung mit dem Titel »Soziale Sicherheit statt EU-Militarisierung« zu formulieren und zu unterzeichnen, einen Modus, um diese ins Plenum einzubringen, gab es nicht.

junge Welt, 27. März 2013