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Armutszeugnis für die FIFA

Im Wortlaut von André Hahn,

Arbeiter auf einer Baustelle in Doha, Kata                  Bild: flickr.com/Richard Messenger

 

Von André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

 

 

Amnesty International prangert erneut die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die Fußball-WM in Katar an – die FIFA reagiert darauf gelassen. So oder so ähnlich war es gerade in diversen Zeitungen zu lesen. Beides ist gleichermaßen skandalös.

Amnesty hat seit Jahren auf die massive Verletzung von Menschenrechten und elementaren Arbeitsregeln auf den Stadien- und Infrastrukturbaustellen für die WM 2022 hingewiesen. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Viele der Gastarbeiter erhalten vor Ort niedrigere Gehälter als vor der Abreise aus ihren Heimatländern versprochen. Zum Teil werden Löhne mit monatelanger Verspätung ausgezahlt. Die Mehrheit der in den Stadien tätigen Menschen lebte lange Zeit in (O-Ton amnesty) "armseligen Arbeitslagern", wo einige Beschäftigte von Sub-Unternehmen immer noch campieren müssen, während andere Arbeiter zwischenzeitlich umquartiert wurden. Amnesty bezeichnet die Vorgänge in Katar als "Zwangsarbeit", weil den Menschen, die sich weigern, zum Teil hochgefährliche Arbeiten unter völlig unzureichenden Schutzmaßnahmen durchzuführen, nicht nur mit Einbehalt des Gehalts, sondern auch mit einer Verweigerung der Ausreise aus Katar gedroht wird. So genannten Wanderarbeitern wurden vielfach die Pässe abgenommen, um deren Abreise zu blockieren. Außerdem greift auch bei den WM-Baustellen das so genannte Kafala-System, eine Art Bürgschaft, bei der jeder Arbeiter einen "Paten" haben muss, bei dem er angestellt ist. Ohne die Zustimmung dieses "Paten" ist eine Ausreisegenehmigung nahezu unmöglich. Die schlechten Arbeitsbedingungen und Schutzstandards haben zudem schon zahlreiche Todesopfer und Schwerverletzte gefordert.

Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 aberkennen

Angesichts all dieser Umstände ist die Reaktion der FIFA auf den aktuellen Bericht von amnesty völlig inakzteptabel. Dort hieß es, man wäre in stetiger Absprache mit wichtigen Teilhabern und politischen Institutionen, sei aber nicht "für die Lösung aller gesellschaftlichen Probleme eines Gastgeberlandes verantwortlich". Solche Aussagen sind ein Armutszeugnis, zumal die Schwierigkeiten in den nächsten Jahren noch deutlich größer werden könnten, wenn die Zahl der Arbeiter auf den WM-Baustellen wie geplant bis auf 36.000 Personen steigen würde.
Fazit: Die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft war von Anfang an ein schwerer Fehler, nicht nur wegen der politischen, klimatischen und sportfachlichen Rahmenbedingungen, sondern auch wegen der ökologischen Auswirkungen. Zudem gibt es inzwischen keine ernstzunehmenden Zweifel mehr, dass die WM-Vergabe an Katar ohne Korruption innerhalb der FIFA und gigantische Schmiergeldzahlungen niemals erfolgt wäre.

Der jüngste Bericht von amnesty international sollte deshalb Anlass sein, spät, endlich die Reißleine zu ziehen und dem Emirat den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 abzuerkennen. Eine Neuvergabe durch die FIFA könnte noch in diesem Jahr erfolgen, so dass der neue Ausrichter ausreichend Zeit zur Vorbereitung und für eventuell notwendige Baumaßnahmen haben würde. Durch einen solchen Schritt könnte zumindest ein kleiner Teil der verloren gegangenen Glaubwürdigkeit des Fußball-Weltverbandes zurückgewonnen werden. Der Deutsche Fußball Bund sollte daher unverzüglich einen entsprechenden Antrag an die FIFA-Exekutive stellen. 

linksfraktion.de, 4. April 2016