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Foto: I-Stock/ getty images/ sturti

Armut durch Pflege – wie die Kosten explodieren

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch, Nordkurier,

Wer auf Pflege angewiesen ist, der hat hoffentlich viel Geld zurückgelegt. Die Kosten in Deutschland steigen und steigen – zuletzt geradezu dramatisch. Dietmar Bartsch, Ko-Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Linken, fordert eine Finanzreform der Pflege. Gastkommentar im Nordkurier.

Neubrandenburg. Die Kosten in Pflegeheimen explodieren. Für Bewohner steigen die Eigenanteile von Jahr zu Jahr. In Mecklenburg-Vorpommern kostete laut Verband der Ersatzkassen ein Platz im Pflegeheim noch im Jahr 2018 durchschnittlich 1159 Euro, aktuell sind es bereits 1540 Euro. In Brandenburg gab es einen Anstieg von 1372 Euro auf 1697 Euro. Bundesweit liegen die Eigenanteile durchschnittlich bei 2015 Euro, in Ostdeutschland stiegen sie zuletzt besonders rasant.

Erst das Pflegeheim, dann die Sozialhilfe

Es verwundert nicht, dass immer mehr Menschen diese Kosten nicht aufbringen können. Die Rente reicht in vielen Fällen nicht. Jeder Dritte in Deutschland bezieht Sozialhilfe, um das Pflegeheim bezahlen zu können, in Mecklenburg-Vorpommern liegt diese Quote sogar etwas höher, in Brandenburg etwas niedriger.

Armutsfalle Alter

Sozialhilfe wird jedoch erst bewilligt, wenn Erspartes und Vermögen aufgebraucht sind. Dinge, die man sich ein Leben lang aufgebaut hat, versickern in den Pflegeheimen, weil die Pflegeversicherung nur einen Teil der Leistungen übernimmt. Diejenigen, die die Kosten selbst tragen können, müssen sich häufig weiter einschränken. Der Friseurbesuch und anderes, was man sich noch gönnte, fallen weg. Das Pflegeheim wird zur Armutsfalle.

So kann es nicht weitergehen. Bundesgesundheitsminister Spahn hat dieses Thema verschleppt und ausgesessen. In diesem Frühjahr wollte er Vorschläge präsentieren. Er muss endlich etwas gegen die Kostenexplosion unternehmen.

Pflegevollversicherung, in die alle einzahlen

Menschen, die seit Bestehen der Pflegeversicherung Beiträge gezahlt haben und dann im Pflegefall verarmen, stellen sich zurecht die Frage, wofür sie eigentlich pflegeversichert sind. Die Pflegeversicherung ist nicht ausreichend leistungsfähig. Laut einer Studie der DAK aus dem vergangenen Jahr befürchten 80 Prozent der Deutschen den finanziellen Ruin durch Pflegebedürftigkeit.

Die Akzeptanz und die Legitimation der gesetzlichen Pflegeversicherung stehen auf dem Spiel, wenn es keine Umkehr gibt. Wir brauchen eine Finanzreform der Pflege. In einem ersten Schritt müssen die Eigenanteile deutlich reduziert werden.

An den Löhnen der Pflegekräfte liegt es nicht

Im Übrigen sind gestiegene Löhne nicht in erster Linie die Ursache für das Kostenproblem. In Ostdeutschland sind die Eigenanteile zuletzt über 30 Prozent gestiegen, die Lohnerhöhungen blieben weit darunter. Die Kosten laufen aus dem Ruder, weil der Anteil, den die Pflegekasse übernimmt, stagniert. Wir als Linke wehren uns dagegen, dass Menschen, die hart und häufig schlecht bezahlt in der Altenpflege schuften, und Menschen, die nach einem langen Leben ein Recht auf Pflege haben, gegeneinander ausgespielt werden.

Mittelfristig brauchen wir eine Pflegevollversicherung, in die alle einzahlen und die alle Leistungen trägt. Die nächste Bundesregierung sollte dafür die Weichen stellen. Wir wollen, dass auch Abgeordnete, Beamte, Selbstständige und Topverdiener entsprechend ihres Einkommens Beiträge leisten. Wenn wir die Pflegeversicherung auf ein breites Fundament stellen, an dem sich alle Bürger beteiligen, muss Pflege nicht arm machen.

 

Nordkurier,