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Arm bleibt arm. Reich wird reicher.

Periodika von Katja Kipping,

Im Herbst 2012 wurde der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vorgelegt. Der Öffentlichkeit jedoch soll eine geschönte Fassung präsentiert werden. Noch gibt es keine offiziell bestätigte Version, gestrichen aber wurden schon jetzt ganze Passagen.

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird alle vier Jahre erstellt. Er beruft sich dabei auf Analysen, Erhebungen, Zahlen und Fakten, die wichtige gesellschaftliche Entwicklungen und Tendenzen dokumentieren. Wissenschaftler übernehmen die Auswertung und ziehen entsprechende Schlussfolgerungen. Dieser vierte Bericht sprach eine deutliche Sprache. Jedenfalls in der Originalversion. Es gab klare Worte zur Lohnentwicklung und Vermögensverteilung in Deutschland, zu den Chancen von Kindern und Jugendlichen, zur Lebens- und Einkommenssituation von Akademikern, Arbeitern, Geringverdienern und Erwerbslosen. Einigen Politikern aus der schwarz-gelben Koalition gefiel offensichtlich nicht, was sie da lesen mussten über die Folgen und Auswirkungen ihrer eigenen Regierungsarbeit. Und so wurde gestrichen und »umformuliert«. Zum Beispiel die Aussagen über steigende Löhne im oberen und sinkende Löhne im unteren Bereich. Diese Passage sucht man im überarbeiteten Bericht vergebens. Stattdessen liest man, dass in unteren Lohnbereichen viele Vollzeitjobs entstanden seien. Das klingt positiv. Zumal der Satz: »Allerdings arbeiteten im Jahr 2010 in Deutschland knapp über vier Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro« ebenfalls sang- und klanglos aus dem Papier verschwand. Genauso wie der Titel »Reiche vermögen mehr«. Jetzt heißt es unverbindlich: »Freiwilliges Engagement Vermögender unterstützen.«

 

Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, kommentierte diese Schönfärberei folgendermaßen: „Die Bundesregierung will entscheidende Aussagen des Berichts verwässern, verschleiern und beschönigen.“ Denn die Wirklichkeit sieht anders aus. Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds – ebenfalls veröffentlicht im Herbst 2012 – legt offen, was Vollzeitbeschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung verdienen und in welchen Branchen mit besonders niedrigen Löhnen gearbeitet wird. So erhielten über eine Million sozialversicherte Vollzeitbeschäftigte im Jahr 2010 ein Bruttomonatsentgelt von 1.000 Euro. Das entspricht einem Bruttostundenlohn von etwa sechs Euro. Ebenso viele Beschäftigte bekamen monatlich lediglich 1.000 bis 1.300 Euro. Insgesamt nahm die Zahl der Vollzeitbeschäftigten von 1999 bis 2010 um mehr als 5 Prozent ab, der Anteil der Niedriglöhner unter ihnen stieg dagegen im selben Zeitraum um 15 Prozent.

 

Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Gefahr

Deutschland ist ein reiches Land. Allerdings stimmt die Verteilung nicht. Auch das war ursprünglich im Armuts- und Reichtumsbericht zu lesen. Dort hieß es: »Die Privatvermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt.« »Die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte« besitzen »über die Hälfte des gesamten Nettovermögens«. Innerhalb von nur zehn Jahren – von 1998 bis 2008 – stieg der Anteil des Gesamtvermögens in den Händen der Reichen um acht Prozent – die ärmere Bevölkerungshälfte besitzt nur ein Prozent des gesamten Nettovermögens.

 

Zu denen, die viel arbeiten und trotzdem wenig haben, zählen auch viele Selbstständige, freie Künstlerinnen und Künstler, Kreative im Medien-, Kultur- und IT-Bereich, Geisteswissenschaftler, die sich nicht selten von einem Projekt zum anderen retten. So schreibt der »Report Darstellende Künste« beispielsweise, dass etwa 80 Prozent der freien Schauspielerinnen und Schauspieler und Tänzerinnen und Tänzer neben ihrer eigentlichen Profession nebenher noch jobben gehen. Als Putz- und Küchenhilfe, in diversen Gelegenheitsjobs. Eine Umfrage des Verbands Bildender Künstlerinnen und Künstler ergab, dass gut 90 Prozent der Künstlerinnen und Künstler nicht von ihrer Kunst leben können. Arbeitslosengeld II, sprich Hartz IV beantragen trotzdem nur etwa sechs Prozent. Der Grund: Der Gang zum Jobcenter sei für viele das Eingeständnis, vermeintlich im eigenen Beruf versagt zu haben.

 

DIE LINKE weiß, dass viele Selbstständige in Existenznöten leben. Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, sagt: »Zwar kann die Politik nicht direkt in die Vergütungen der Auftragserledigungen durch Selbstständige eingreifen. Sie kann aber dafür Sorge tragen, dass auch Selbstständige ordentlich sozial abgesichert sind – im Falle von Erwerbslosigkeit, Krankheit und Pflege sowie im Rentenalter.« Die soziale Absicherung für Selbstständige ist eines der politisch wichtigen Vorhaben für das Jahr 2013, beschlossen auf der Neujahrsklausur der Fraktion DIE LINKE Mitte Januar in Hannover. Lösungswege zur Umsetzung des sozialen Konzepts suchen linke Abgeordnete in gemeinsamen Gesprächen mit den Selbstständigen.