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Arbeitsmarkt regulieren, Profiteure kriminalisieren

Im Wortlaut von Susanne Ferschl, der Freitag,

Die Regierung plant, mit ihrem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Kampf gegen Schwarzarbeit zu stärken. Es ist richtig und notwendig, durch regelmäßige und flächendeckende Prüfungen sicherzustellen, dass der gesetzliche Mindestlohn gezahlt und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden.  

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung hausgemachte Probleme sind, die mit dem Gesetzentwurf nicht behoben werden. Insbesondere die mit der Agenda 2010 vollzogene Deregulierung des Arbeitsmarktes, die übrigens mit dem Ziel der Eindämmung von Schwarzarbeit begründet wurde, ist dafür eine wesentliche Ursache. Das ist offenbar gescheitert, denn gerade Minijobs, die 2003 durch Aufhebung der Stundengrenze explodierten, entpuppen sich heute als ein Haupteinfallstor für Schwarzarbeit. Minijobs sind ein Bestandteil des autoritären Agenda 2010-Systems, das Menschen vor die Wahl stellt: Hartz-IV mit menschenunwürdigen Sanktionen oder prekäre Jobs im Niedriglohnbereich. Der Staat hat so jahrelang Tarifflucht begünstigt. Profitiert haben von dieser Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren durchweg die Arbeitgeber. Durch die Auslagerung in Subunternehmerketten haben sie sich systematisch Lohnkosten gespart. Auch auf diesen Böden gedeiht Schwarzarbeit prächtig.

Statt hier anzusetzen und endlich den Arbeitsmarkt zu regulieren, werden jetzt wieder EU-Zuwanderer pauschal diskriminiert und unter den Generalverdacht des Sozialleistungsmissbrauchs gestellt. So sieht der von der SPD vorgelegte Entwurf vor, EU-Bürgern das Kindergeld zu streichen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Sozialstaatsdebatte ist nicht nachvollziehbar, dass die SPD von Solidarität spricht, aber de facto rechtspopulistischen Argumentationen erliegt.

So richtig und nachvollziehbar es ist, dass Unternehmen, die auf Schwarzarbeit setzen und Menschen ausbeuten, Geldbußen zahlen und strafrechtlich verfolgt werden, so verfehlt ist es, die Beschäftigten gleichermaßen zu kriminalisieren. Um die Recht der Betroffenen zu stärken, müssen Beratungsstellen ausgebaut werden. Denn diese unterstützen sie dabei, ihre Rechte einzuklagen. Noch besser wäre ein Verbandsklagerecht, das es Gewerkschaften ermöglicht, für alle Beschäftigten, beispielweise eines Subunternehmers, den Lohn einzuklagen. Notwendig sind darüber hinaus verbindliche gesetzliche Regelungen für eine ernsthafte Regulierung des Arbeitsmarktes und eine Stärkung der Tarifbindung.

Dieser Kommentar von Susanne Ferschl erschien am 6. Juni 2019 in der Wochenzeitung "der Freitag".

der Freitag,