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Arbeit der Internet-Enquetekommission stagniert

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Nach der letzten Sitzung der Enquête-Kommission "Internet und Digitale Gesellschaft" zieht Halina Wawzyniak eine negative Bilanz. Die inhaltliche Arbeit kommt zu kurz, denn die zahlreichen Projektgruppen haben außer Arbeitsplänen bisher nicht viel produziert. Die Fraktion DIE LINKE kritisiert, dass Projektgruppen nicht öffentlich tagen und auch die Dokumente nicht zugänglich sind, obwohl zu Beginn der Kommission anderes proklamiert worden war.

Im Internet geht bekanntlich vieles schneller und leichter als in der analogen Welt. Das gilt aber noch lange nicht für eine Enquetekommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestags. Am Montag fand die fünfte Sitzung dieses bereits im Frühjahr eingerichteten Gremiums statt, das sich mit den Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Gesellschaft beschäftigen soll. Herausgekommen ist dabei bislang nichts. In den öffentlichen Sitzungen finden Anhörungen mit externen Experten sowie ein allgemeiner Austausch statt. Zwischendurch tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit allerlei Projektgruppen.

Eigentlich sollten sie sich mit Themen wie Urheberrecht, Datenschutz oder Netzneutralität beschäftigen und mittlerweile tief in die Materie eingedrungen sein. Tatsächlich haben sie sich gerade erst auf gemeinsame Themenlisten geeinigt. Die inhaltliche Arbeit liegt brach. Trotzdem soll im Mai 2011 der Zwischenbericht der Kommission vorliegen. Bis dahin sollen die ersten Projektgruppen bereits mit der Arbeit fertig sein. Schon jetzt ist absehbar: Der knapp bemessene Zeitplan wird zu Lasten der inhaltlichen Diskussion gehen.

In der Projektgruppe Netzneutralität sind monatelang Listen mit Spiegelstrichen hin und her geschickt worden. Am 31. August traf sich die Projektgruppe online in einem eigens eingerichteten Etherpad, wobei eine ganze Reihe von Mitgliedern sich über längere Zeit hinweg aufgrund von technischen Problemen nicht einloggen konnte. Die CDU nutzte die Gunst der Stunde und jubelte den anderen Teilnehmern einen kompletten Neuentwurf des Arbeitsprogramms unter, das am Ende in einer leicht modifizierten Version auch tatsächlich beschlossen wurde. Das Chaos, das bei der Sitzung herrschte, ist in einem Chatprotokoll gut dokumentiert – allerdings ist dieses Protokoll nicht öffentlich. 

Auch in der Projektgruppe Urheberrecht ist man über den Arbeitsplan bislang nicht hinausgekommen. Thema der nächsten Sitzung sollte eigentlich eine Bestandsaufnahme der „technischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen“ sein, denen das Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft genügen soll. Das war auch logisch, denn um sich zur Weiterentwicklung des Urheberrechts äußern zu können, muss man zunächst wissen, wo derzeit die Knackpunkte liegen. Am Rande der Kommissionssitzung vom Montag wurde jedoch spontan beschlossen, die Bestandsaufnahme zu vertagen: Man möchte die Expertenanhörung am 29. November abwarten. Was die Arbeitsgruppe bis dahin tun wird, ist offen. Ohne Bestandsaufnahme wird sie kaum andere Themen sinnvoll bearbeiten können. Aber da die Treffen der Projektgruppe nicht öffentlich sind, bekommt das niemand mit.

Die dritte der bereits eingerichteten Projektgruppen beschäftigt sich mit dem Thema Datenschutz. Auch hier gibt es inzwischen einen Arbeitsplan und sonst nicht viel – abgesehen von der Idee, eine Umfrage über die Datenschutzbedürfnisse der Bevölkerung in Auftrag zu geben. Was die Wähler denken, interessiert Politiker bekanntlich brennend – zu Recht. Jedoch wird eine Studie, die Datenschutz von vornherein so betrachtet, als bräuchte man davon je nach individuellem Bedürfnis mehr oder weniger, wenig Anhaltspunkte dafür liefern, welche Regelungsalternativen zu den bereits bestehenden Gesetzen denkbar sind. Schließlich besteht eine verantwortungsvolle Gesetzgebung nicht in einer bloßen Kompromissbildung zwischen Mehrheits- und Minderheitsbedürfnissen. Was die Projektgruppe mit den Erkenntnissen der erwähnten Studie hinterher anfangen will, ist unklar. Noch ist das letzte Wort darüber allerdings nicht gesprochen.

„Wir haben von Anfang an die Meinung vertreten, dass nicht nur die Enquetekommission selbst, sondern auch die Projektgruppen öffentlich tagen sollten“, meint Halina Wawzyniak, die für DIE LINKE als Obfrau in der Kommission ist. „Dann hätte man interessierte Bürgerinnen und Bürger viel besser in die Arbeit einbinden können. Vielleicht wäre man dann auch schneller in die inhaltliche Diskussion eingestiegen, statt die ersten Monate komplett für die Erstellung des Arbeitsplans zu vergeuden.“ Jetzt droht Wawzyniak zufolge die Gefahr, dass die inhaltliche Arbeit zu kurz kommt. Vertreter der CDU treten inzwischen sogar dafür ein, einzelne Projektgruppen parallel tagen zu lassen. Dies würde bedeuten, dass Vertreter der kleineren Fraktionen (LINKE, Grüne, womöglich auch FDP) an bestimmten Sitzungen nicht teilnehmen könnten, da ihre Abgeordneten in mehreren Projektgruppen zugleich als Mitglieder vertreten sind. Ob dies der CDU gerade recht oder einfach nur schnuppe ist, sei dahingestellt.

Natürlich wird sich die Fraktion DIE LINKE trotzdem auch weiterhin in die Enquetekommission einbringen. Und wird sich auch weiterhin für eine größtmögliche Öffentlichkeit der Arbeit einsetzen.