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An Erfolge anknüpfen, ohne herumzueiern

Interview der Woche von Gregor Gysi,

Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion, erläutert, welche Veränderungen DIE LINKE 2011 vorantreiben will und kann, und erinnert daran, was die Erfolge der jungen Partei ausgemacht hat

"Wir wollen gemeinsam den Startschuss geben in ein Jahr, in dem DIE LINKE Motor politischer Veränderungen sein will – und sein wird", schreiben Gesine Lötzsch, Klaus Ernst und Sie in Ihrer Einladung zum politischen Jahresauftakt am 10. Januar in Berlin. Ist der Motor gut geölt?

Gregor Gysi: Der Motor stotterte mehr als nötig, aber nun müssen wir nach vorne blicken und hoch motiviert in die sieben Landtagswahlkämpfe gehen, bei denen die Themen auf der Hand liegen: Bildung, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Rücknahme der Privatisierungen bei der öffentlichen Daseinsvorsorge, Stärkung der Finanzkraft der Kommunen.

Wohin hat Schwarz-Gelb die Bundesrepublik in den zurückliegenden zwölf Monaten gesteuert?

Außenpolitisch gefährdet diese Bundesregierung nicht nur den Euro, sondern auch die Akzeptanz der EU bei den Bürgerinnen und Bürgern durch eine nationalistisch verengte Politik. Innenpolitisch gefährdet die Bundesregierung die Demokratie durch eine Klientelpolitik, angefangen von der Mövenpick-Mehrwertsteuer von 7 Prozent für das Hotelgewerbe bis zum Atomdeal mit den Stromkonzernen. Für einen Teil der Gesetzgebung ist der Bundestag nicht mehr zuständig, sie wird nur noch von der schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag abgenickt, nachdem man sich vorher mit den Lobbyisten geeinigt hat. Darüber hinaus hat die schwarz-gelbe Bundesregierung erwartungsgemäß ihre Politik der sozialen Kürzungen und die endgültige Zerstörung eines solidarisch finanzierten Gesundheitssystems durchsetzen können.

Welche politischen Veränderungen will und kann DIE LINKE 2011 vorantreiben?

Den raschestmöglichen Ausstieg aus dem Afghanistan-Krieg, Kooperation und eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik in der EU statt Konfrontation, die nach wie vor ausstehende Regulierung der Finanzmärkte und das Verbot der Spekulationen, den Kampf für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn und die Bekämpfung der Sozialkürzungen und der Neuregelung von Hartz IV. Die Rente erst ab 67 wird bereits im kommenden Jahr, was viele nicht wissen, reale Kürzungen der Renten beinhalten. Was wir davon erreichen können, entscheiden auch die Wählerinnen und Wähler.

Dass heute quer durch alle Parteien über den gesetzlichen Mindestlohn, Hartz IV und den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan diskutiert wird, ist maßgeblich auf DIE LINKE zurückzuführen. Schließlich waren das zentrale Themen, mit denen DIE LINKE 2005 angetreten ist. Was hat seinerzeit die Erfolge der jungen Partei ausgemacht?

In den genannten Themen besaß DIE LINKE ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den vier anderen Parteien. Letztere hatten zwar eine parlamentarische, aber keine gesellschaftliche Mehrheit. Nur DIE LINKE repräsentierte diese Mehrheit. Wäre sie nicht im Bundestag vertreten gewesen, wären diese Mehrheitsauffassungen in der Bevölkerung nicht im parlamentarischen System repräsentiert gewesen. Allein dies zeigt die politische Existenzberechtigung einer starken LINKEN im Bundestag an.

Wie kann DIE LINKE im Jahre 2011 an ihre frühen Erfolge anknüpfen?

Indem sie nicht herumeiert, sondern sich konsequent für ihre nach wie vor hochaktuellen Forderungen nach Überwindung von Hartz IV, der Rücknahme der Rentenkürzungen, dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, für eine Angleichung der Löhne und Renten in Ost und West einsetzt. Hinsichtlich der notwendigen Finanzmarktregulierung ist so gut wie nichts geschehen, auch hier müssen wir weiter Druck aufbauen. Und neu hinzugekommen ist, infolge der Finanzmarktkrise, die Eurokrise. Wenn es um die Zukunft und den Fortbestand der EU geht, dann brauchen wir endlich eine gemeinsame koordinierte Politik mit gemeinsamen Sozial-, Umwelt-, Steuer- und Lohnstandards, um die Unterschiede in der EU langfristig abzubauen. Ein entscheidendes Thema für uns wird die Entwicklung der Demokratie auch in der Wirtschaft sein.

Vor uns liegen sieben Landtagswahlen. In Bremen und Hamburg geht es für DIE LINKE um den Wiedereinzug, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz um den Ersteinzug. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt will DIE LINKE Regierungsverantwortung übernehmen, in Berlin diese verteidigen. Welche Impulse für die Bundespolitik können von erfolgreichen Ergebnissen in den Ländern ausgehen?

Eine starke LINKE in den genannten Bundesländern wird die anderen Parteien dazu veranlassen zu überlegen, wie sie DIE LINKE wieder schwächen könnten. Dazu müssten sie ihre derzeitige Politik zumindest teilweise korrigieren, wie das die SPD ansatzweise bereits tut. Dass sie die von ihr und den Grünen zu verantwortende Ausweitung der Leiharbeit nunmehr fast komplett zurücknehmen und korrigieren will, ist das alleinige Verdienst der LINKEN.

linksfraktion.de, 10. Januar 2011