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Am Ende brannte die ganze Welt

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann,

Von Dagmar Enkelmann, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag





"...dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen", schrieb Heinrich Heine. In Abwandlung könnte man sagen: Dort, wo Parlamente angezündet werden, stirbt am Ende die Demokratie. Schon am Tag nach dem Brand setzte Reichspräsident Paul von Hindenburg auf Empfehlung des Kabinetts mit einer Notverordnung wesentliche Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft. Auch wenn die Debatte um die Frage, wer den Reichstag angezündet hat, auch 80 Jahre später noch Historiker und Politiker in Atem hält, ist ohne jeden Zweifel aber klar, wer den Brand genutzt hat, um eine zwölfjährige Schreckensherrschaft zu errichten, Millionen Menschen in den Tod zu treiben und nicht nur das eigene Volk an den Rand des Untergangs zu bringen. Am Anfang brannte der Reichstag, am Ende die ganze Welt.

Das ist eine Lehre für alle Zeiten. Ohne ein frei gewähltes und selbstbewusstes Parlament kann es keine funktionierende Demokratie geben, die – übersetzt im Wortsinne – immer noch Volksherrschaft bedeutet. Wer ein Parlament geringschätzig als "Schwatzbude" betrachtet, übersieht, dass letztlich hier Gesetze beschlossen und die Regierung kontrolliert werden soll. Auch für DIE LINKE ist das Parlament ein entscheidender Ort politischer Auseinandersetzung, insbesondere dann, wenn dort gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung regiert wird. Wer über Jahre hinweg Soldaten nach Afghanistan schickt, obwohl die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dagegen ist, beschädigt den parlamentarischen Gedanken. Dann muss sich niemand wundern, wenn darauf mit Politikverdrossenheit und Wahlenthaltung reagiert wird.

Demokratie findet heute jedoch an weit mehr Orten als in den Parlamenten statt. Die Zeiten haben sich gründlich gewandelt. Der beharrliche Widerstand gegen Großprojekte wie Stuttgart 21 und den Großflughafen BER zeigt überdeutlich: Die Bürgerinnen und Bürger sind es sichtlich leid, nur Nachvollzieher längst getroffener Entscheidungen zu sein. Der nächste Schritt muss sein, dass die Bürgerinnen und Bürger mit den Mitteln der direkten Demokratie auch zwischen den Wahlen politische Entscheidungen treffen können. Deswegen streitet DIE LINKE auch für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene. Der Zustand, dass der Bürger alle vier oder fünf Jahre wählt und dazwischen keine Wahl hat, ist angesichts des rasanten gesellschaftlichen Wandels nicht mehr zeitgemäß. Für Demokratie zu streiten und sie zu bewahren, heißt auch, sie zu erneuern.


linksfraktion.de, 28. Februar 2013