Zum Hauptinhalt springen

Am Ball bleiben

Nachricht von Gregor Gysi,

12. Juni: Dritter Tag der Israel-Palästina-Reise von Gregor Gysi

Gregor Gysi im Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Israel, Andreas Michaelis

 

In Brasilien wird das erste Spiel der Fußballweltmeisterschaft angepfiffen. Am Vortag hat der 64. FIFA-Kongress eine Resolution verabschiedet, dass es keinen Fußball ohne Ethik und Integrität geben solle. Fußball also als eine Art Katalysator für soziale Veränderungen, was für den Nahostkonflikt eine eher beliebige Meldung ist. Obwohl die verbindende Wirkung des Sports nicht unterschätzt werden sollte. So richtet sich eine zweite Resolution des nach Rio de Janeiro gereisten Altherrenclubs direkt an den israelischen und an den palästinensischen Fußballverband. Beide werden darin aufgerufen, ihre Zusammenarbeit weiter zu stärken und zu vertiefen und auf die Unterzeichnung einer Grundsatzvereinbarung in den kommenden Monaten hinzuarbeiten. An die israelische Regierung wird appelliert, die Umsetzung einer solchen Vereinbarung zwischen den beiden Verbänden durch die Erleichterung des Verkehrs von Spielern und Offiziellen sowie von Waren und Ausrüstung nach, aus und in Palästina mit vollen Kräften zu unterstützen. In einem halben Jahr will die FIFA prüfen, welche Fortschritte erzielt wurden.

Es wäre vermutlich übertrieben, von einem Fortschritt zu sprechen. Aber immerhin: Die israelische Regierung hat auch auf Druck Deutschlands die gerade erst erteilte Genehmigung für den Bau weiterer 1800 Siedlerwohnungen vorerst ausgesetzt - aber nicht vollständig zurückgenommen. “Wer die Zwei-Staaten-Lösung will, muss mit dem Stopp des Siedlungsbaus sofort beginnen”, twitterte Gregor Gysi, als er am Morgen im israelischen Außenministerium ankommt.

Die Baugenehmigung war als "Strafmaßnahme" gedacht für die neue Einheitsregierung der Palästinenserinnen und Palästinenser. Einem Bericht der Tageszeitung Haaretz zufolge haben der britische und der französische Botschafter Druck gemacht. Dann aber habe der deutsche Botschafter, Andreas Michaelis, den Gregor Gysi unmittelbar nach seiner Ankunft traf, den Sicherheitsberater der israelischen Regierung, Yossi Cohen, darauf gedrängt, dass die Pläne zurückgenommen werden. Auch Italien und Spanien hätten sich Haaretz zufolge dieser Forderung angeschlossen.

Aus Sicht der USA und Europas machen die israelischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet den Aufbau eines eigenen Staats für die Palästinenserinnen und Palästinenser immer unwahrscheinlicher: Die eingezäunten Städte und Ortschaften für jüdische Familien samt ihrer Zufahrtsstraßen zerschneiden das Territorium, auf dem ein Staat Palästina entstehen könnte. Am Samstag wird Gregor Gysi einen Tag lang entlang der Sperranlagen durch die Westbank fahren und sich dabei sowohl mit Einwohnerinnen und Einwohnern auf palästinensischer Seite als auch in den Siedlungen treffen.

Die israelische Seite signalisiert Verwunderung darüber, dass von Europa die Beziehungen zu Israel immer im Zusammenhang mit der Palästinafrage betrachtet werden. Gerade die deutsche Linke müsse doch ein größeres Interesse an den sozialen Entwicklungen in Israel selbst haben. Hat sie! Am Nachmittag eröffnet Gregor Gysi in Tel Aviv ein Symposium der Rosa Luxemburg Stiftung, das überschrieben ist mit »Demokratie in der Krise - Linke Antworten in Europa und Israel«. Das Podium teilt sich Gregor Gysi mit der Knesset-Abgeordneten Tamar Zandberg, die sich während der Sozialproteste im Jahre 2011 einen Namen gemacht hat, und Dov Khnenin, der das Sozialistenbündnis Chadasch in der Knesset vertritt. Der Saal ist voll, die Debatte lebhaft. Ganz offensichtlich bewegen die tiefe soziale Spaltung Israels die Menschen hier.

Das Pressegespräch im Anschluss an die Veranstaltung ist ebenfalls gut besucht. Am frühen Abend meldet die Nachrichtenagentur dpa, dass Gregor Gysi sich optimistisch über die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung geäußert hätte. Er sehe eine Chance auf eine Schwächung der Kontrolle der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen. Palästinenserpräsident Mahmud “Abbas ist ja immer dafür kritisiert worden, dass er keinen Einfluss im Gazastreifen hat. Jetzt hat er sich zu Wahlen verpflichtet”, wird Gysi zitiert. Bei einem Wahlsieg könnte die gemäßigtere Fatah ihren Einfluss im Gazastreifen wieder ausbauen. Israel boykottiert bisher das neue Kabinett. Die Nachrichtenagentur kündigt an, Gysi wolle am Montag in Ramallah unter anderem den palästinensischen Ministerpräsidenten Rami Hamdallah treffen. Hamdallah übt zeitgleich das Amt des Innenministers aus. Zumindest der Bundesinnenminister ist auch Sportminister. Vielleicht kommt ja auch die FIFA-Resolution zur Sprache. Gemessen an den vielen Bars und Restaurants in Tel Aviv, die am Eröffnungstag der Fußball-WM Public Viewing anbieten, und angesichts der bekannten Fußballbegeisterung der Palästinenser sollte man auch hier dringend am Ball bleiben.
 

linksfraktion.de, 13. Juni 2014

 

Mittagessen bei Mister Israel - Erster und zweiter Tag der Israel-Palästina-Reise von Gregor Gysi