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Aktionismus ohne Folgen?

Im Wortlaut von Diana Golze,

Diana Golze über die Arbeit des Runden Tisches Kindesmissbrauch

Arbeitsgruppe »Prävention - Intervention - Information« des Runden Tisches Kindesmissbrauch hat ihre Arbeit aufgenommen. Worum ging es bei der ersten Sitzung?

Es ging zum einen um organisatorische Fragen. Zum anderen ging es inhaltlich um den ersten großen Schwerpunkt, den die Ministerin vorgegeben hat: verbindliche Standards in Einrichtungen.

Glauben Sie, dass man mit solchen Standards Kindesmissbrauch wirksam bekämpfen kann?

Es ist ein Baustein. Verbindliche Standards werden den Druck auf Einrichtungen erhöhen, sich mit dem Thema Missbrauch auseinanderzusetzen. Viele Verbände haben längst Anlagen an den Arbeitsverträgen mit den Vorgaben, nach denen gearbeitet wird: Wir respektieren die Kinder, wir respektieren ihre Privatsphäre usw. Das Ziel ist, sich auf Standards zu verständigen, die dann in allen Einrichtungen gelten sollen. Und die Vergabe öffentlicher Mittel soll an die Einhaltung dieser Standards gebunden werden.

Ist das auch ein Mittel, um Einrichtungen zu fördern, die genehm sind, andere aber nicht? Im Bereich Rechtsextremismus sind Initiativen, die Frau Schröder für staatsfeindlich hält, unter Druck geraten.

Es ist schwer, da Parallelen zu ziehen. Die Ministerin will ja eher weg davon, Rechtsextremismus zu bekämpfen, statt dessen Linksextremismus, Islamismus usw. Deshalb braucht sie eine Erklärung dafür, die Mittel anders zu verteilen. Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden. Aber was sexuelle Gewalt gegen Kinder betrifft, unterstütze ich, dass man von Einrichtungen, die öffentliche Gelder bekommen, erwarten kann, sich konsequent in ihrer Arbeit mit dem Thema zu befassen.

Ist das Führungszeugnis für Ehrenamtliche vom Tisch?

Es ist diskutiert worden. Ich selber halte es mit dem Bundesjugendring, der eindringlich gesagt hat, das ist für kleinere Verbände und Vereine unleistbar. Ich habe selbst Ferienlagerbetreuung gemacht und weiß, dass viele Vereine auf Ehrenamtliche angewiesen sind. Auch kann ein solches Führungszeugnis ein falsches Gefühl von Sicherheit erzeugen. Straftaten bis 90 Tagessätze finden sich darin nicht wieder.

Ist der Runde Tisch in seiner Gesamtheit die adäquate Reaktion auf die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle? Kritiker befürchteten folgenlosen Aktionismus.

Die Befürchtung habe ich immer noch. Ich habe gesagt, wir können die wunderbarsten Standards ausformulieren, aber wenn wir nicht sagen, wie sie umgesetzt und kontrolliert werden sollen und wer das alles bezahlt, können wir uns die Arbeit sparen. Da war die Ministerin leider nicht mehr da, sie musste wahrscheinlich wegen des Rücktritts von Herrn Koch schnell mal den Saal verlassen. Zumindest hat Staatssekretär Hecken gesagt, am Ende müsse es eine Runde geben mit der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten, in der beschlossen wird, wer was zahlt.

Kritisiert wurde auch, dass all die Pläne und Ideen schon längst ausgearbeitet wurden.

Zum Teil wird wirklich das Rad neu erfunden. Eine Kollegin aus der Kinderkommission hatte einen Ordner voll mit Unterlagen von verschiedensten politischen Ebenen dabei - Entschließungen des Europarates, den Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt usw. Ich sage, ein Aktionsplan kann nur wirken, wenn er in Aktion tritt. Und genau das ist in den letzten vier Jahren unter Frau von der Leyen überhaupt nicht passiert. Statt dessen ist in der Kinder- und Jugendarbeit jede sechste Stelle weggefallen.

Interview: Regina Stötzel

Neues Deutschland, 27. Mai 2010