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"Achse des Guten" trotz Klimafinanzierung light?

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

8. Dezember - Durban-Tagebuch von Eva Bulling-Schröter, Vorsitzende des Umweltausschusses und umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Eva Bulling-Schröter und der Umweltminister El Salvadors Hermann Rosa Chavez


Heute ist Donnerstag, der vorletzte Tag der UN-Konferenz, ich werde immer müder ... 

  Um sechs Uhr bin ich aufgestanden, bis nachts um Halbeins hatte ich an meinem Blog geschrieben. Dazu kommt die Zeitverschiebung. Ich musste quasi zur Sommerzeit zurückwechseln, in Deutschland gehen die Uhren eine Stunde nach. Entsprechend früher als sonst klingelt hier in Durban der Wecker, was man irgendwie doch merkt.   Also dann: 7:45 Uhr: Delegationsbesprechung. Das Büro ist in einer Tiefgarage untergebracht und hat mobile Wände, die nach oben offen sind. Es ist sehr heiß, der Beratungsraum ist total überfüllt. Wir nutzen Kopfhörer, da sonst die Berichte nicht zu verstehen sind, weil im nächsten Raum eine andere Delegation auch Beratung hat.
  Der Indaba-Prozess (siehe Bericht von gestern) geht weiter, wird berichtet, und Minister Röttgen habe sich mit dem polnischen Umweltminister getroffen. Sicher kein einfaches Gespräch, denn Polen – ein Kohleland, dass nun gar in die Atomkraft einsteigen möchte - spielt ja gerade in der EU eine wichtige Rolle. Unser Nachbar hat noch bis Jahresende die EU-Präsidentschaft. Einfacher werden solche Gespräche sicher auch dadurch nicht, wenn Röttgen gerade ein Landsmann in den Rücken fällt. Denn am späten Abend erfahre ich, dass EU-Energiekommissar Günther Oettinger in seiner "Energy Roadmap 2050" die Atomkraft als "wichtigen Faktor" bezeichnet hat. In dem Grundsatzpapier sollen auch Szenarien enthalten sein, die den Neubau von bis zu 40 AKW in der EU bis 2030 vorsehen. Sollte so etwas Schwachsinniges Realität werden, würde den Erneuerbaren ein Bremsklotz angelegt. Die Modellregion einer regenerativen Energieversorgung, die sicher auch künftige UN-Klimaverhandlungen vorantreiben würde, könnten wir dann vergessen.

Heiße Luft   Inzwischen liegen Vorschläge für einen Zeitraum bis zu einem rechtsverbindlichen Abkommen vor. Sie schwanken zwischen 2015 und 2017. Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels ist das zu lang. Die Zeit läuft uns davon. Andererseits ist es nach Lage der Dinge natürlich besser, später ein vernünftiges Abkommen abzuschließen als jetzt ein schlechtes. Am Ende sind das alles Theorieübungen, denn mehr ist hier in Durban ohnehin nicht rauszuholen. Und ob es in fünf Jahren zu einem anspruchsvollen Abkommen kommt, steht genauso in den Sternen wie in den letzten Jahren. Das Spielchen geht nun schon bald ein Jahrzehnt so, es ist frustrierend.
  Weiter wird berichtet, dass es Gespräche Deutschlands und der EU mit den Entwicklungsländern darüber gegeben hat, wie die "Nichtwilligen" eingebunden werden könnten. Hier will man in einer Allianz offensichtlich so etwas, wie eine "Achse des Guten" aufbauen, um die USA und China unter Druck setzen zu können.   Es gibt auch Vorschläge zum Umgang mit der so genannten "Heißen Luft" (Hot Air). Das Problem: In osteuropäischen Staaten ging  der Treibhausgasausstoß durch den Zusammenbruch ihrer Wirtschaft von 1990 bis zum Kyoto-Protokoll 1997 um bis zur Hälfte zurück. Verpflichtet wurden sie seinerzeit aber nur dazu, ihren Emissionsstand von 1990 einzufrieren – insbesondere ein Kompromiss an Russland, ohne dessen Ratifizierung das Protokoll später nicht hätte in Kraft treten können. Ein wenig haben die Transformationsstaaten bis heute wirtschaftlich und beim Treibhausgasausstoß "aufgeholt". Aber immer noch gibt es eine enorme Menge an Kyoto-Emissionsrechten, die sie nicht benötigen. Der Ausstoß Russlands etwa liegt heute 35 Prozent unter dem Niveau von 1990, der von der Ukraine sogar um 53 Prozent.
  Folglich können die Länder die überschüssigen Rechte an andere Staaten verkaufen, die dafür ihrerseits mehr Klimagift in die Atmosphäre bringen dürfen als vereinbart. Die "Heiße Luft" ist nach dem Kyoto-Vertrag in eine neue Verpflichtungsperiode nach 2012 übertragbar. Sie zumindest teilweise aus dem System zu nehmen, ist darum extrem wichtig für ein neues Abkommen. Immerhin geht es - nimmt man die Ostblockländer alle zusammen, um bis zu 1,5 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent.

Wieder einmal ein großzügiges Geschäft
  Bisher ist in Durban aber noch nicht entschieden, wie viel "Hot Air" in die nächste Handelsperiode -  sollte es sie irgendwann geben - übertragen werden darf beziehungsweise mit welchen Instrumenten der Gebrauch dieser Emissionsrechte beschränkt werden kann.
  Und dann kommt der Knaller: Offensichtlich haben sich die Verhandler tatsächlich darauf geeinigt, CCS, die Abscheidung und Verpressung von Kohlendioxid im Untergrund, in den CDM aufzunehmen. Die gefährliche und überflüssige Technologie (siehe auch Tagebuch von gestern) wird damit zur Klimaschutzmaßnahme in Entwicklungsländern erklärt und  mit Emissionsrechten belohnt! Und Deutschland unterstützt das noch! Na ja, man ist eben der Energiewirtschaft und Industrie verpflichtet.
  Und natürlich soll es eine Haftung der Unternehmen geben. Allerdings soll sie 20 Jahre nach Schließung der CO2-Speicher auf die Länder übergehen – für die nächsten Jahrtausende. Wieder einmal ein großzügiges Geschäft. Die Bevölkerung und öffentliche Haushalte der Staaten haben das Risiko und die Firmen stecken die Profite ein.

Eva Bulling-Schröter (r.) und Kollegen von SPD und Grünen
  Wir, die Kollegen der Opposition, treffen uns anschließend zum Kaffee und beschließen, wegen der verfahrenen Verhandlungen eine gemeinsame Presseerklärung zu machen. SPD, LINKE und Grüne, das gibt`s nicht so oft. In der Erklärung mahnen wir noch einmal eine Vorreiterrolle Deutschlands an, aber seht selbst
  Die MdB der Koalition fühlen sich fast beleidigt ob der Kritik, wo doch ihr Minister ihrer Meinung nach hier alles macht, was in seiner Kraft steht. Tja, da gibt’s halt dann Differenzen. Danach eine neue Pressekonferenz mit Norbert Röttgen: China mache ein Angebot, ab 2020 ein verbindliches Regime zu akzeptieren, es wird weiter verhandelt. Die Zeit drängt und die Afrikanischen Delegationen haben den Vorschlag gemacht, die Verweigerer symbolisch in die Ecke des Klassenzimmers zu stellen. Wiederum werden die einzelnen Positionen der Verhandlungsstaaten hin und her gewälzt, aber noch ist alles offen...

Wenn Wirbelstürme normalerweise im Oktober kommen   Wenn alles im Fluss ist, wird die Pressearbeit nicht einfacher. Zum Stand der Verhandlungen beim Klimafonds etwa, nach dem ich gefragt werde, kann ich im Detail wenig sagen, wir sitzen ja nicht in den Arbeitsgruppen. Aber natürlich zu unserer poltischen Position dazu (siehe auch unserer Durban-Antrag). Journalisten fragen auch nach meiner Meinung zu CCS und CDM oder zur Hot Air. Damit kann ich dienen - siehe oben.
  Im Laufe des Nachmittags treffen wir uns mit einer ganzen Reihe von Delegationen. Zuerst mit Sylvia Morega aus Argentinien, der Verhandlerin für die G 77, das ist die Gruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer. Sie hält die Frage, was "danach" kommt für die wichtigste. Gemeint ist damit die Zeit nach Durban. Denn klar muss es weitergehen und langfristige Finanzierungen müssen erschlossen werden. Was in dem Fall "innovative Quellen" sind, wie es in einigen Texten heißt, weiß glaube ich, keine/r so richtig. Hört sich aber gut an.   Anschließend ein Treffen mit Vertretern der Fidschi-Inseln. Der Delegationsleiter ist Samuela A. Samnata, er ist "Minister for local goverment, urban Developement , housing & enviroment". Auch hier die Frage nach dem Green Climate Fonds. Wie wird das dringend benötigte Geld verfügbar, wie wird der Zugang sein? Sie schildern uns, was der Klimawandel für die Menschen auf den Inseln bedeutet, bei einer drohenden Erhöhung des Meeresspiegels um ein bis zwei Meter. Sie reden von immer mehr Starkregenfällen, und das eigentlich jetzt schon viele Dörfer umgesiedelt werden müssten. Sie berichten, dass die tropischen Wirbelstürme normalerweise im Oktober kommen, diese Zyklone jetzt aber zeitlich nicht mehr kalkulierbar sind. Wir reden auch über den Waldschutz und das dafür vorgesehene komplizierte so genannte REDDplus-System. Sie erwarten von uns Lösungen für ihre dringenden Probleme und ein verbindliches Abkommen.
  Danach treffen wir eine der für mich imposantesten Persönlichkeiten der Reise: Hermann Rosa Chavez, Umweltminister aus El Salvador. Ihn hatten wir schon im letzten Jahr getroffen. Er spricht über die klimabedingten Verluste in der Landwirtschaft und sagt, dass damit die Entwicklung in ihren Ländern gehemmt ist. Sie hätten aber lediglich 1,5 Mio. Dollar Fast-Start-Mittel aus dem letzes Jahr in Cancún vereinbarten Topf erhalten, der durch die Industrieländer für die Entwicklungsländer gespeist werden und für Klimaschutz und Anpassung im globalen Süden verwendet werden soll. Mit der Summe kann El Salvador also nur ein Bruchteil der Schäden kompensieren, die durch den Klimawandel verursacht werden.

Fast schon eine Beleidigung 

Im letzten Jahr habe sich beispielsweise der Preis für Kedney Bohnen - einer der Hauptnahrungsmittel in El Salvador - verdoppelt, weil die Ernten so schlecht waren und auch in anderen Ländern weniger geerntet wurde. Schließlich lieferte China die Bohnen. Der IWF wiederum habe gegen die Klimaschäden zusätzliche Mittel zur schnellen Hilfe zur Verfügung gestellt, erzählen Mitglieder der Delegation, die müssten allerdings alle zurückgezahlt werden...
  Bezüglich des Hickhacks um den Green Climate Fonds und dessen fehlende Finanzierung erklärt Hermann Rosa Chavez, dass dies schon fast eine Beleidigung sei. Vielleicht käme irgendwann die Zeit, wo ein internationaler Gerichtshof über die Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen aus Klimaabkommen und deren Einhaltung entscheiden müsse. Ja, das wäre nur konsequent, denke ich. In der Realität wird die Quittung aber wohl leider ausbleiben. Dafür werden die Industriestaaten mit ihrer wirtschaftlichen Macht schon sorgen.  Zudem frage ich mich, wie die oben genannte "Achse der Guten" zustande kommen soll, wenn die Klimafinanzierung nicht steht.   Der letzte Termin an diesem Tag ist ein Treffen mit VertreterInnen der Netzagentur Südafrikas NERSA. Der staatliche Stromversorger ESKOM hält 95 Prozent der Stromversorgung. Davon werden 90 Prozent aus Kohle bereitgestellt. Geplant sei, 42 Prozent der neuen Kapazitäten aus erneuerbaren Energien zu speisen. Gegenwärtig gebe es für Ökostrom ein Versteigerungsverfahren.   Wir tauschen uns über den ökologischen Umbau in Deutschland aus, reden über die Risiken der Atomkraft und darüber, wie unser Einspeise- und Umlagesystem bei den Erneuerbaren funktioniert. Wichtig ist auch die Debatte über Energiepreise aus sozialer Sicht (in Südafrika sind 25 Prozent der Bevölkerung arbeitslos). In Südafrika werden 50 KW pro Monat kostenlos zur Vergütung gestellt, was für ärmere Menschen aber nur einen Teil des eigentlich benötigten Haushaltsstroms erschwinglich macht.   Das Thema Kohle und der damit verbundenen Arbeitsplätze wird in Südafrika wohl noch weiterhin eine große Rolle spielen. Es gibt also viel zu tun, zu unterstützen und mitzuhelfen, dass neue, ökologische Arbeitsplätze entstehen. Ich denke, hier liegt noch ein langer, aber gangbarer Weg vor den Südafrikanern hin zu einer Energieerzeugung ohne fossil-atomare Brennstoffe.