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Pflege in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern chronisch unterfinanziert

Nachricht von Pia Zimmermann,

Auswertung der Antworten der Bundesregierung der Kleine Anfrage von Pia Zimmermann "Pflegeausgaben in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern"


Ausgangslage und Fragestellung

Jens Spahn will bis Mitte 2020 die Pflegeversicherung reformieren (7.2.20). Eine Vollversicherung lehnt er ab, weil Familien dann "keine Verantwortung mehr für die Pflege ihrer Angehörigen tragen". Flankierend hat Annegret Kramp-Karrenbauer bereits im November die Überprüfung des deutschen Sozialsystems als "großen Punkt auf der Reformagenda" ihrer Partei bezeichnet. "Wir haben ein Sicherungssystem aufgebaut, das heute an die Grenzen des Machbaren und des Möglichen stößt." Neben der Rentenversicherung nannte sie hierbei ausdrücklich auch die Pflegeversicherung.

Vor diesem Hintergrund wollte Pia Zimmermann wissen, wie sich die öffentlichen Ausgaben für Langzeitpflege in Deutschland – gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – im Vergleich zu den OECD-Ländern in den letzten zehn Jahren entwickelt haben.

Grundlegende Aussagen aus der Antwort des Bundesministeriums für Gesundheit

Kurze Gesamtbetrachtung (s. auch Anlage unten):

  • Zu Beginn des Betrachtungszeitraums 2007 liegen die Ausgaben der Länder mit den niedrigsten Pflegeausgaben zwischen ca. 0,1% und 0,6% vom BIP (bspw. Portugal, Korea, Australien, USA); bis zum Ende des Zeitraums, für den Zahlen vorliegen (2017) hat sich daran nur wenig geändert.
  • Bei den drei Spitzenländern liegen die Ausgaben zu Beginn des Betrachtungszeitraums bei etwa 2 Prozent vom BIP (Dänemark, Niederlande, Norwegen); bis 2013/2014 steigt dieser Wert in der Spitzengruppe um etwa 0,6-0,7%-Punkte auf 2,6% bis 2,7%, um seitdem auf dieser Quote zu verbleiben. Während 2007 in zwei Ländern die Pflegeausgaben mehr als 2 Prozent des BIP betrugen, sind es bis 2017 fünf Länder.

Deutschland:

Phase 1:

Die Bundesrepublik liegt 2007 mit einer Quote von 1 Prozent der öffentlichen Ausgaben für Pflege um gut einen Prozentpunkt hinter dem Wert der Spitzengruppe und damit im Mittelfeld der OECD-Länder mit verfügbaren Daten – wobei hierzu auch Länder mit deutlich niedrigerem Einkommensniveau gehören, wie beispielsweise Griechenland oder die baltischen Länder beziehungsweise Länder mit deutlich wenig ausgebauten Systemen sozialer Sicherung wie etwa die USA.

Zwischen 2007 bis 2012 bleibt die Ausgabenquote in Deutschland mit dann 1,1% weitgehend konstant. Die Differenz der Ausgaben zur OECD-Spitzengruppe bei den Pflegeausgaben steigert sich in der Phase bis circa 2012/2013 auf 1,2 bis über 1,5 Prozentpunkte. Deutschland fällt im Vergleich der OECD-Länder auf Platz 11, bleibt damit aber dennoch im Mittelfeld, was vor allem an der Zunahme der Anzahl der Länder mit verfügbaren Daten liegt.

Phase 2:

Ab 2014 beginnt die relative Höhe der Ausgaben von 1,2% deutlich zu steigen. Mit 1,5% Ausgabenanteil und Rang 7 von 21 im Jahr 2017 liegt Deutschland nun im Übergang vom zweitem zum ersten Drittel der OECD-Länder – nach Norwegen, Schweden, den Niederlanden, Dänemark, Belgien, Island, der Schweiz (und vermutlich auch Japan, für das noch keine Zahlen vorliegen).

Vergleich mit der Entwicklung anderer Länder:

Insbesondere die Länder der Spitzengruppe (Skandinavien einschließlich Island sowie die Niederlande, Belgien und die Schweiz) haben mehr oder weniger konstant hohe Ausgaben.

Daneben gibt es eine Reihe weiterer Länder, deren Ausgabenanteil leicht steigt und die ihren Platz im internationalen Vergleich halten können (Schweiz, Frankreich) oder deren Ausgabenanteil konstant bleibt (USA, Kanada, Spanien, Ungarn, Portugal, Litauen) oder sinkt (Irland, Luxemburg, tendenziell auch Österreich) und die deshalb im Gesamtvergleich zurückfallen.

Einen gewissen Aufholprozess in den letzten zehn Jahren haben die Tschechische Republik und Korea vollzogen, wenngleich ausgehen von einem sehr niedrigem Ausgangsniveau.

Das Zurückfallen von Deutschland im internationalen Vergleich bis etwa 2012/2013, dem dann ein deutlicher Aufholprozess folgt, ist ein auf Basis der vorliegenden Zahlen international ungewöhnliches, bislang einmaliges Phänomen.

Fazit:

  • Festzuhalten beliebt: Bis jetzt hat der Aufholprozess der Bundesrepublik ab circa 2014 lediglich den zwischen 2007 und 2013 entstandenen Rückstand zu den Spitzenreiten wettgemacht. Die Differenz zur Spitzengruppe beträgt nach wie vor circa 1 Prozentpunkt vom BIP; das wären in Deutschland aktuell über 30 Milliarden Euro.

(Datentechnischer Hinweis: In der näheren Betrachtung wie auch in der Anlage wurden aus datentechnischen Gründe einige Länder ausgeklammert: etwa gibt es für Japan es zw. 2011 und 2012 einen ungewöhnlichen Ausgabensprung, zudem liegen für 2017 noch keine Daten vor; bei Schweden gibt es zw. 2011 und 2012 eine Wechsel in der Datenerhebung; für Neuseeland praktisch liegen keine und für Australien nur wenig plausible Daten vor.)

Dazu erklärt Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

"Ich fordere die CDU und insbesondere Frau Kramp-Karrenbauer und Herrn Spahn auf: Beenden Sie bei der angekündigten und dringend notwendigen Reform der Pflegefinanzierung ihre Blockadehaltung gegen die Solidarische Pflegevollversicherung. Mit diesem Konzept kann ohne Probleme endlich erreicht werden, was in Skandinavien und anderen Ländern seit Jahren gelebte Praxis ist – bedarfsdeckende Pflege der Menschen mit Pflegebedarf, spürbare Entlastung der pflegenden Angehörigen und gute Arbeitsbedingungen für die beruflich Pflegenden. Das sollte uns 30 Milliarden Mehrausgaben wert sein.“