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„Zehn Euro Mindestlohn, um Altersarmut zu verhindern“

Von Matthias W. Birkwald, erschienen in Clara, Ausgabe 29,

Matthias W. Birkwald benennt die Gründe von wachsender Altersarmut und stellt eine Alternative vor: die Solidarische Rentenversicherung.

Früher hieß es, die Rente sei sicher. Heute fürchten sich viele Menschen vor Altersarmut. Welche politische Entscheidung hat diese Entwicklung am stärksten verursacht?

Matthias W. Birkwald: Die Absenkung des Rentenniveaus. SPD und Grüne haben das Prinzip der Lebensstandardsicherung aufgegeben und das Dogma der Beitragssatzstabilität eingeführt. Früher ging es darum, dass die Rente im Alter den bisherigen Lebensstandard gewährleistet. Danach richtete sich die Höhe der Beiträge für die Rentenversicherung. SPD und Grünen ging es darum, dass die Rentenbeiträge nicht steigen, wovon vor allem die Arbeitgeber profitieren. Die Folge: Das Rentenniveau von 53 Prozent wurde abgesenkt auf heute 48,9 Prozent. Bis zum Jahr 2030 kann es auf bis zu 43 Prozent sinken. Eine Rente von ehedem 1.000 Euro wird dann nur noch eine Kaufkraft von heute 800 Euro haben. Darum sagt DIE LINKE: Das Rentenniveau muss wieder auf 53 Prozent angehoben werden.

Welche weiteren Faktoren führen zu Altersarmut?

Vor allem die von SPD und den Grünen verbrochenen Hartz-Gesetze mit Mini-Jobs, schlecht bezahlter Leiharbeit, Hartz IV und vielem mehr. Diese haben zu Lohndumping und einer massiven Ausweitung prekärer Jobs geführt. Weil die Rente grundsätzlich den Löhnen folgt, führen niedrige Löhne auch zu niedrigen Renten. Deshalb kämpft DIE LINKE schon seit Jahren für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Zehn Euro müssen es mindestens sein, damit im Alter nicht die Armut droht.

Vor mehr als zehn Jahren wurde die Riester-Rente eingeführt …

Die hat versagt. Riester-Renten sind ineffizient wegen der hohen Verwaltungskosten. Sie sind intransparent, denn die hohen Kosten und die schmale Rendite sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher kaum zu erkennen. Sie sind ineffektiv, weil sie für die meisten Menschen nicht ausreichen, um das sinkende Rentenniveau zu kompensieren. Einen Riester-Vertrag zu unterschreiben, ist leider oft nicht besser, als das Geld in den Sparstrumpf zu stecken.

Der Staat fördert aber Riester-Renten mit rund zwölf Milliarden Euro seit dem Jahr 2002.

Das ist sozial ungerecht, weil diese Gelder nahezu ausschließlich in die Kassen der Versicherungsunternehmen fließen.

Was schlägt DIE LINKE vor?

Wir wollen, dass Menschen, die einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben, ihre Ansprüche freiwillig und zu geringen Kosten auf ihr Rentenkonto bei der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen können.

Was muss sich ändern, um Altersarmut zu verhindern?

Gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente – das muss passieren! Wir brauchen dringend höhere Löhne. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 10 Euro in Ost und West muss her. Das würde im Osten für 42 Prozent der Beschäftigten zu höheren Rentenansprüchen führen. Die Kürzungsfaktoren in der Rentenformel müssen gestrichen und das Sicherungsniveau vor Steuern in der Rente muss wieder auf 53 Prozent angehoben werden. Für Erwerbslose müssen wieder Beiträge in die Rentenkasse gezahlt werden, und auch für vor dem Jahr 1992 geborene Kinder sind Mutter oder Vater knapp 85 Euro Rente zu zahlen.

Was zeichnet die Solidarische Rentenversicherung aus, die DIE LINKE fordert?

Ausnahmslos alle Erwerbstätigen sollen in diese einzahlen. Wir wollen außerdem die Beitragsbemessungsgrenze deutlich anheben und mittelfristig abschaffen, denn wer ein Gehalt von 10.000 Euro im Monat hat, soll auch entsprechende Rentenbeiträge zahlen. Gegen Altersarmut braucht es auch eine steuerfinanzierte, einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente: Niemand soll im Alter von weniger als 1.050 Euro leben müssen! Das ist das Ziel der Fraktion DIE LINKE.

Das Interview führte Ewald Riemer.

Matthias W. Birkwald ist rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE