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Wohnungsnot für Studenten

erschienen in Clara, Ausgabe 31,

Sie war lange Zeit nur ein Problem in Metropolen – jetzt auch in den kleineren Städten

Es ist Oktober 2013. Anne Kugener hat gerade ihre Zulassung für ein Geografiestudium an der Universität Freiburg bekommen. In einer Woche beginnt die Vorlesungszeit, und sie hat noch immer keine Wohnung in der badischen Studentenstadt gefunden.

Rund 50 Wohngemeinschaften hat die 20-jährige Luxemburgerin schon angeschrieben, nur zwei haben sich überhaupt zurückgemeldet. Endlich wird sie zu einem Kennenlerngespräch eingeladen. Das Haus ist gepflegt, ein schön renovierter Altbau in der Nähe des Stadtzentrums. Doch das Zimmer ist teuer, 490 Euro verlangt der Vermieter von ihr pro Monat. Das sind 100 Euro mehr, als ihre Vormieterin bezahlen musste.

Einen Grund für die Mieterhöhung gibt es nicht. Außerdem dürfen in der Wohngemeinschaft nur Frauen wohnen. Die Vierer-WG gefällt ihr nicht, aber sie hat keine Alternative. Anne Kugener unterschreibt den Vertrag und zieht mit Schreibtisch, Schrank und Klamotten und ein paar Büchern in das Zimmer ein, obwohl sie sich die hohe Miete kaum leisten kann.

Das Mietenproblem in Freiburg ist kein Einzelfall. Überall in Deutschland steigen die Mieten in die Höhe, und studentische Wohnungsnot ist längst nicht mehr nur ein Problem der angesagten und teuren Großstädte wie Köln, München oder Hamburg, in denen Studenten selbst für kleinste WG-Zimmer mitunter mehr als 500 Euro zahlen.

Auch in kleineren Universitätsstädten wie Würzburg, Bamberg oder Münster ist die Zahl der bezahlbaren Wohnungen knapp. In Mannheim organisiert der Studierendenverband DIE LINKE.SDS deshalb seit anderthalb Jahren einen »Ersti-Notruf«, bei dem Studierende Hilfe bei der Wohnungssuche und bis zu einer Woche eine Privatunterkunft vermittelt bekommen.

»Wir reagieren damit auf die Situation, dass sich die Stadt Mannheim, das Studentenwerk und die Universität konsequent dagegen wehren, eine temporäre Bleibe für Erstsemester ohne Wohnung einzurichten«, begründet Julien Ferrat ihre Initiative, mit der sie in diesem Semester rund fünfzig Studierenden eine Notunterkunft ermöglichten. Auch an der Universität Greifswald hängt der Allgemeine Studierendenausschuss mittlerweile an seinem Schwarzen Brett »Couchsurfing-Angebote« für wohnungssuchende Studierende aus.

50.000 Studierende sind auf Wartelisten

Studierende können zwar den Druck durch kurzfristig organisierte Schlafplätze für wohnungssuchende Studenten mindern, aber nicht die Ursachen für die Wohnungsnot beseitigen. Laut einer Berechnung des Deutschen Studentenwerks fehlen in Deutschland 45.000 Plätze in Studentenwohnheimen. Aktuell stehen deutschlandweit rund 50.000 Studierende auf den Wartelisten für einen Wohnheimplatz.

Dem steht die steigende Zahl an Studierenden gegenüber. Allein von 2010 bis 2012 schrieben sich 13 Prozent mehr Studierende an deutschen Hochschulen ein. Zwar werden in vielen Städten neue Wohnungen in der Innenstadt geschaffen, jedoch fast ausschließlich im Hochpreissegment, was sich Studierende nicht leisten können.

Denn Studierende sind weit davon entfernt, zu den Topverdienern in unserer Gesellschaft zu gehören. Aufgrund steigender Mieten sind sie inzwischen selbst von Verdrängung betroffen und müssen an die Stadtränder ziehen und einen weiten Weg zur Hochschule in Kauf nehmen. Zwanzig Prozent der Studierenden verfügen über weniger als 650 Euro pro Monat. »Der Studienbeginn wird immer schwieriger, da sich die Studienanfänger nicht nur in das Studium einarbeiten müssen, sondern parallel auch noch in Übergangslösungen wohnen oder campen«, meint Katharina Mahrt vom Bundesvorstand des fzs (freier zusammenschluss von studentInnenschaften).

Im November 2013 gingen deshalb in 17 Städten Studierende auf die Straßen. Das Bündnis »Studis gegen Wohnungsnot« forderte den Ausbau von Wohnheimplätzen und die Rekommunalisierung von Wohnraum. Die Medienöffentlichkeit war groß, geändert wurde seitdem trotzdem wenig. »Die Aktionstage gegen den Wohnraummangel im vergangen Herbst waren ein guter Anfang«, bilanziert fzs-Vorstandsmitglied Katharina Mahrt, »es ist jedoch davon auszugehen, dass diese spätestens zum nächsten Wintersemester eine Neuauflage erfahren werden.« Bundesweit hat sich die Große Koalition von CDU und SPD mittlerweile auf eine Mietpreisbremse geeinigt, die jedoch den Mietenanstieg nicht stoppt, sondern nur verringert. Künftig soll die Miete bei einem Mieterwechsel bei maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen dürfen.

Max Manzey vom Berliner Bündnis »Studis gegen hohe Mieten« setzt sich deshalb für eine Gesetzesänderung ein: »Nur eine Mietpreisvollbremse kann die Immobilienspekulation und die Mietenerhöhungen stoppen.« Denn Vermieter profitieren davon, dass Studierende während ihres Studiums besonders häufig ihre Wohnung wechseln. Gleichzeitig können Studierende in dieser Zeit durch Wohngemeinschaften höhere Mieten bezahlen, die sich eine arme Familie nicht mehr leisten kann. Das führt dazu, dass die Mieten in Universitätsstädten schneller erhöht werden können. Oft konkurrieren Studierende deshalb auf dem Wohnungsmarkt mit anderen Geringverdienern um immer teurere Wohnungen. »Studierende sollten nicht gegen Angestellte oder Rentner ausgespielt werden können«, meint der Student Max Manzey, »der private Wohnungsmarkt ist überhaupt nicht in der Lage, die Mietenprobleme zu lösen.«

Zu Semesterbeginn demonstrierte Anne Kugener in Freiburg zusammen mit Kommilitonen für mehr bezahlbare Wohnungen. Andere Studierende protestierten vor dem Universitätsgebäude mit einem Campingzelt. Jetzt, Ende Januar 2014, hat Anne Kugener endlich nach vier Monaten überteuerter Miete einen der begehrten Plätze in einem Freiburger Studentenwohnheim bekommen – für 270 Euro im Monat. Die Wohnungsnot für zukünftige Generationen von Studierenden aber ist geblieben.