Zum Hauptinhalt springen

„Wir wollen Leiharbeit verbieten“

Von Klaus Ernst, erschienen in Clara, Ausgabe 28,

Arbeitsmarktexperte Klaus Ernst über Konsequenzen aus dem Fall Amazon und die Chancen zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns

Wie kann man die Ausbeutung von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern verhindern?

Klaus Ernst: Leiharbeit zielt darauf ab, die Löhne zu drücken. Deshalb wollen wir Leiharbeit gesetzlich verbieten. Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer müssen dort einen Arbeitsvertrag haben, wo sie arbeiten. Kurzfristig ist es entscheidend, dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter endlich den gleichen Lohn wie Festangestellte plus einen Flexibilitätszuschlag von zehn Prozent erhalten.

Vor Jahren wären Sie für diese Forderung belächelt worden. Mittlerweile denkt sogar die CDU über den Mindestlohn nach.

Links wirkt. Die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn stammt von uns.

Glauben Sie, dass noch vor den Bundestagswahlen ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird?

Nein, die Bundesregierung will nur in solchen Branchen eine Lohnuntergrenze einführen, in denen keine Tarifverträge gelten. Wir brauchen aber einen allgemeinen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zehn Euro, weil in vielen Bereichen die tariflich vereinbarten Löhne viel zu niedrig sind.

SPD und Grüne fordern einen Mindestlohn von 8,50 Euro. DIE LINKE will 10 Euro. Ist dieser Unterschied wichtig?

Ja, denn nur ein Mindestlohn von zehn Euro garantiert, dass man nach 40 Jahren Vollzeitarbeit einen Rentenanspruch erwirbt, der oberhalb der Armutsgrenze liegt. Bei einem Mindestlohn von nur 8,50 Euro müssen die Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, zusätzlich zur Rente Sozialleistungen beantragen.

Sie wollen außerdem den Hartz-IV-Regelsatz auf 500 Euro erhöhen. Aber dann stiege die Anzahl der Menschen, die ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen.

Das zeigt vor allem, wie niedrig die Löhne sind. Deshalb wollen wir beides: einen höheren Regelsatz und einen gesetzlichen Mindestlohn. Eine Erhöhung des Regelsatzes ist notwendig, um erwerbslosen Menschen ein Existenzminimum zu gewähren, mit dem sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Das Interview führte Ruben Lehnert.

Klaus Ernst: Der gebürtige Münchner ist seit mehr als vier Jahrzehnten Mitglied der Gewerkschaft IG Metall. In den Jahren 1995 bis 2005 war er für die Gewerkschaft erster Bevollmächtigter in Schweinfurt, wo er Proteste der Beschäftigten gegen die Agenda 2010 und Hartz IV organisierte. Der diplomierte Sozialökonom widmet sich im Bundestag insbesondere der Arbeitsmarkt-, Renten- und Gewerkschaftspolitik.