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Wir wollen die politische Achse dauerhaft nach links verschieben

erschienen in Clara, Ausgabe 3,

Editorial

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

wem gehört unsere Zukunft? Meinhard Miegel, konservativer Frontmann der Sozialstaatskritik, hat in seinem Buch »Epochenwende« das Problem des Neoliberalismus auf den Punkt gebracht: »Der Riss zwischen den Vermögenden und den weniger Vermögenden ist beängstigend breit geworden.«

Das Kernproblem kapitalistischer Gesellschaften besteht mehr denn je in der wachsenden Spaltung zwischen Arm und Reich - und im weiteren Sinn zwischen armen und reichen Ländern. Schon heute leben wir in einer Herrschaft der Reichen, die die Mittelschichten deklassiert und Millionen von Menschen als »nutzlos« ausgrenzt. Die Verteilungsfrage rückt ins Zentrum.

Die politische Linke in Deutschland steht vor der Herausforderung, zum Abbau dieser Spaltung beizutragen. Erstmalig in der Nachkriegsgeschichte hat sie die Chance, die politische Achse dauerhaft nach links zu verschieben. Die Vorarbeit hierzu ist geleistet. Mit den 8,7 Prozent für die Linken bei der Bundestagswahl 2005 konnte die schwarz-gelbe Koalition verhindert werden.

Die Repräsentanz in der obersten Volksvertretung ist für uns indes kein Selbstzweck. DIE LINKE. im Bundestag wird sich nicht in den Prozess der schleichenden Verselbstständigung des Parlaments einreihen. Wir müssen mit unserer Arbeit raus aus dem Raumschiff Bundestag und hin zu jenen Menschen, die die Zumutungen neoliberaler Politik zu spüren bekommen.

Wir haben uns für das laufende Jahr - neben einem Konzept zur Unternehmensteuerreform und zur Vermögensteuer - einiges vorgenommen: ein linkes Familienkonzept, ein Zukunftsinvestitionsprogramm, Alternativen zur Rente mit 67, zur faktischen Abschaffung des Solidargedankens in der Gesundheitsversorgung und zum Abbau der skandalösen Missstände in der Altenbetreuung. Dienst am Menschen, Bildung und Ausbildung, aktiver Umweltschutz und Arbeitszeitverkürzung sind die Felder, auf denen Vollbeschäftigung erreicht werden kann, wir stehen keineswegs vor dem Ende der Arbeitsgesellschaft. Bei den Themen Ablehnung von Kriegseinsätzen, gesetzlicher Mindestlohn, Kampf gegen Privatisierungen und Hartz IV, konsequente Ablehnung von Studiengebühren und Ausbildungsplatzumlage haben wir im Bundestag die Alleinstellung.

Die Linke muss aber auch auf anderen Feldern in die Offensive kommen. Ganz vorn stehen hier Vorschläge zur Beseitigung der Risiken auf den Weltfinanzmärkten und zur Lösung der Klimaproblematik. Joschka Fischer hat einst den Linken entgegengeworfen: »Wollt ihr etwa Politik gegen die internationalen Finanzmärkte machen?« Genau das wollen wir. Wir polemisieren nicht nur gegen die »Heuschrecken« und öffnen ihnen dann wie Müntefering Tür und Tor, sondern arbeiten an Konzepten, wie man die Wildwest-Strukturen auf den Finanzmärkten eindämmen kann.

Aktive Beschäftigungspolitik muss mehr denn je mit dem Klimaschutz verknüpft werden. Wir müssen erreichen, dass Energieeinsparung und erneuerbare Energien mit ihren großen Beschäftigungschancen ins Zentrum der Lebenswelt der unteren Hälfte der Gesellschaft Einzug erhalten, und klarmachen, dass dies nur gegen die Interessen der Energiekonzerne durchgesetzt werden kann. Es gibt keinen ökologischen Kapitalismus.

Eine ganz andere Überlebensfrage wird immer akuter: die Stabilität der Demokratie. Die erpresserische »Basta«-Doktrin von Gerhard Schröder, die Kluft zwischen Wahlversprechen und faktischer Politik haben die Axt an das demokratische System gelegt. Rückzug aus der Politik, Passivität, Distanz gegenüber den politischen Parteien sind zum Massenphänomen geworden. Die Linke steht in der Pflicht, Reden und Handeln deckungsgleich zu machen und so das Vertrauen der Menschen in politische Strukturen zu stärken.

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

der globalisierte, von den Finanzmärkten getriebene Kapitalismus führt immer öfter Kriege (und Stellvertreterkriege) um Öl und Rohstoffe. Seine systemimmanente Gier nimmt keine Rücksicht auf die natürlichen Lebensgrundlagen. Er ist geradezu menschheitsbedrohend geworden. Deshalb sind die Stärkung der demokratischen Linken und ihre internationale Zusammenarbeit brennend wichtig. Die Parteigründung im Sommer ist erst der Anfang.

Ulrich Maurer
Parlamentarischer Geschäftsführer