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„Wir wollen Billigjobs durch gute Arbeit ersetzen.“

Von Jutta Krellmann, erschienen in Clara, Ausgabe 18,

Jutta Krellmann wirbt im Interview mit clara für den gesetzlichen Mindestlohn, die Begrenzung von Leiharbeit und den politischen Streik.

Offiziell waren im Oktober 2010 weniger als drei Millionen Menschen arbeitslos. Das ist der niedrigste Wert seit dem Jahr 1992. Können Sie sich darüber freuen?

Jutta Krellmann: Nein. Erstens ist die Arbeitsmarktstatistik geschönt. In Wirklichkeit waren im Oktober 2010 4,1 Millionen Menschen ohne Arbeit. Zweitens ist die Statistik durch billige Arbeit weichgespült. Über 1,4 Millionen Menschen arbeiten und müssen trotzdem Hartz IV beziehen. 2,35 Millionen Beschäftigte sind auf einen Zweitjob angewiesen. Diese Politik haben CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne in wechselnden Regierungen zu verantworten. DIE LINKE und ihre arbeitsmarktpolitischen Vorschläge sind notwendiger denn je.

 

Welche Vorschläge macht DIE LINKE?

Erstens kämpfen wir für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro. Mit diesem Mindestlohn garantieren wir, dass niemand, der Vollzeit arbeitet, in Armut leben muss. Zweitens streiten wir dafür, Billigjobs durch gute Arbeit zu ersetzen. Befristungen ohne sachlichen Grund gehören abgeschafft, und Minijobs müssen sozialversicherungs-pflichtig werden vom ersten Tag an. Drittens wollen wir Leiharbeit strikt begrenzen und ihren Missbrauch unmöglich machen. Leiharbeitskräfte und Stammbelegschaften müssen die gleichen Rechte und die gleiche Bezahlung erhalten.

 

Was kosten diese Vorschläge?

Nichts, im Gegenteil. Gegenwärtig werden Billiglöhne jeden Monat mit knapp einer Milliarde Steuergeld subventioniert – seit dem Jahr 2005 sind das 50 Milliarden Euro. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde bewirken, dass weniger Menschen ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen. Der Staat könnte so viel Geld sparen. Aber wir stellen selbstverständlich auch Forderungen, die Geld kosten …

 

… welche denn?

Wir fordern ein Zukunftsprogramm für mehr Arbeitsplätze. Mit Steuergeld wollen wir den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft finanzieren und den öffentlichen Dienst ausbauen. Mit öffentlich geförderter Beschäftigung wollen wir zusätzlich gemeinnützige Arbeit unterstützen.

 

Woher soll das Geld für ein solches Arbeitsplatzprogramm kommen?

Von denjenigen, die jahrelang von Steuerentlastungen profitiert haben. Wir wollen die Vermögenssteuer als Millionärssteuer wieder einführen und die Erbschafts- und Körperschaftssteuer erhöhen. Im Übrigen finanziert sich ein Teil unserer Forderungen auch selbst.

 

Inwiefern?

Höhere Löhne stärken die Binnennachfrage. Das führt dazu, dass der Staat mehr Steuern einnimmt.

 

Warum will DIE LINKE so stark in den Arbeitsmarkt eingreifen?

Die Starken brauchen keine Gesetze. Gesetze müssen die Schwachen schützen. Doch die Möglichkeiten von Gewerkschaften, für die Beschäftigten faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen auszuhandeln, sind durch jahrelange Massenarbeitslosigkeit, durch Agenda 2010 und Hartz IV erschwert worden. Gleichzeitig hat sich die Verhandlungsposition der Arbeitgeber verbessert. Wir wollen dieses Verhältnis umkehren.

 

Sie fordern das Recht auf den politischen Streik. Geht das nicht zu weit?

In Deutschland ist der politische Streik nicht verboten, er ist aber auch nicht ausdrücklich erlaubt. Der politische Streik ist ein Kennzeichen von Demokratie. In den meisten europäischen Nachbarländern ist er völlig normal und sehr wirkungsvoll.

 

Rufen Sie zum politischen Streik auf?

Die betrieblichen Proteste, die in diesem Herbst stattgefunden haben, waren die richtige Antwort auf das Kürzungspaket der Bundesregierung. Auch gegen die Rente ab 67 gab es im Jahr 2007 bereits politische Streiks, an denen eine halbe Million Kolleginnen und Kollegen teilgenommen haben. Ich finde, daran müssen wir anknüpfen.

 

Jutta Krellmann ist Sprecherin für Arbeits- und Mitbestimmungspolitik der Fraktion DIE LINKE.