Zum Hauptinhalt springen

Willkommen im Finanz-Casino!

Von Axel Troost, erschienen in Clara, Ausgabe 22,

Die Finanzmärkte haben die Staaten fest im Griff. Vor allem, weil die Politik die

Verkehrsregeln auf den Finanzmärkten abgeschafft und den Zockern den Teppich ausgerollt hat. Mit allem lässt sich heute Geld verdienen: mit Nahrungsmitteln, Staatspleiten oder Rohstoffen. clara nimmt Sie mit ins Casino der Banken, Versicherungen und Hedge-Fonds. Von Fabio de Masi

Wetten auf den Bankrott

CDS oder Credit Default Swaps sind eine besondere Form der Kreditausfallversicherungen. Damit versichern sich Investoren etwa gegen einen Zahlungsausfall von Staaten. Sie zahlen eine Prämie, und der Versicherer hofft, dass der Versicherungsfall nie eintritt. Das Problem: Diese Versicherungsprodukte lassen sich kaufen und verkaufen. Steigt die Nachfrage nach diesen Versicherungen, ist das ein Signal an die Finanzmärkte, dass ein Staatsbankrott wahrscheinlicher wird. Der strauchelnde Staat muss dann höhere Zinsen für neue Kredite zahlen und gerät erst recht in Schwierigkeiten. Spekulanten kaufen massenhaft diese Produkte, lassen den Eindruck eines drohenden Staatsbankrotts entstehen und verdienen etwa an den höheren Zinsen, die der herunterspekulierte Staat zu zahlen hat. Noch absurder: Mit sogenannten nackten CDS kann man sich gegen den Zahlungsausfall eines Landes versichern, selbst wenn man dem Land kein Geld geliehen hat. Das ist wie eine Feuerversicherung auf das Haus des Nachbarn: Wenn man es anzündet, macht man Kasse.

Leerverkäufe

Bei Leerverkäufen wetten Spekulanten auf fallende Kurse (Preise) von Aktien. Das funktioniert so: Ein Spekulant leiht sich von einem Fonds Aktien aus. Dafür zahlt er eine Leihgebühr. Die ausgeliehenen Aktien verkauft der Spekulant weiter. Zum Beispiel 1000 Aktien der Sorte X für jeweils 100 Euro pro Aktie, sprich 100.000 Euro insgesamt. Sinkt nun der Kurs der verkauften Aktie X, zum Beispiel auf 80 Euro pro Aktie, dann kann der Spekulant diese Aktiensorte für nur 80.000 Euro auf dem Markt kaufen, um sie dem Fonds wieder zurückzugeben. Dadurch macht er einen Gewinn von 20.000 Euro abzüglich der Gebühr für die Ausleihe. Das Problem dabei: Leerverkäufe sind häufig eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn etwa ein Hedge-Fonds mit seiner ganzen Feuerkraft viele Leerverkäufe einer Aktie tätigt, treibt dies den Preis der Aktie nach unten. Noch absurder: Es gibt sogar »ungedeckte« Leerverkäufe. Da haben sich die Spekulanten noch nicht einmal die Papiere geliehen.

Wetten mit dem Hunger

Der letzte Schrei im Casino sind sogenannte Futures auf Lebensmittel und Rohstoffe. Mit einem Future lassen sich Rohstoffe wie zum Beispiel Getreide im Voraus kaufen und verkaufen. Das ergibt prinzipiell auch Sinn, denn so kann sich eine Brotfabrik eine Getreidelieferung in zehn Monaten reservieren. Damit sichert sie ihre Produktion gegen zukünftige Preisschwankungen ab und weiß mit Sicherheit, dass sie zum gewünschten Zeitpunkt ihre Lieferung erhält. Ursprünglich war diese Form des Handels weitestgehend auf Produzenten und Verarbeiter begrenzt. Dann aber ermöglichte die Politik auch reinen Finanzinvestoren dieses Geschäft. Aus dem realen Handel wurde ein Zockerinstrument, mit dem Lebensmittel- und Rohstoffpreise nach oben getrieben werden. Massenweise werden dann etwa Lebensmittel gekauft, die Nachfrage wird künstlich angeheizt. Die Folge: Allein im Jahr 2010 stiegen die Nah-rungsmittelpreise so um ein Drittel. Was für Investoren ein fettes Geschäft ist, bringt Millionen Menschen in den Entwicklungsländern Hunger und Tod, weil sie sich die Lebensmittel nicht mehr leisten können.

Private-Equity-Firmen
Private-Equity-Firmen sind Beteiligungsgesellschaften. Sie kaufen mit geliehenem Geld gesunde Unternehmen auf, schlachten sie aus (zum Beispiel durch Verkauf der besten Maschinen oder Patente) und über-lassen dem Unternehmen die Schulden. Massenentlassungen sind dabei Routine, um schnell Profit zu machen. Vom Unternehmen bleibt dann oft nur noch das Gerippe übrig. Der Öffentlichkeit wurden diese Unternehmen besser bekannt durch das Wort »Heuschrecken«. So bezeichnete sie der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Was er jedoch verschwieg: Er selbst verkaufte als Verkehrsminister die staatli-che Autobahn-Raststättenkette Tank&Rast an ein Konsortium, dem auch die »Heuschrecke« Apax angehörte.

Hedge-Fonds

Hedge-Fonds wetten auf steigende oder fallende Kurse von Wertpapieren. Weil Hedge-Fonds mit großen Summen und auf Kredit zocken, können sie die Finanzmärkte und ganze Staaten in den Abgrund reißen. Etwa dann, wenn sie sich verspekulieren, pleitegehen und ihre Kredite nicht mehr bezahlen können. Bei ihren Kreditgebern wie Banken entstehen dann riesige Finanzlöcher, die dann die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beispielsweise über Rettungsschirme stopfen müssen. So im Jahr 1998, als ein 7 Milliarden Dollar schwerer Hedge-Fonds in den USA zusammenbrach und die US-Regierung sowie wichtige Großbanken einspringen mussten.

CDO: faule Kredite

Weltweit bekannt wurden Collateralized Debt Obligations (CDOs) in der Bankenkrise 2008, als der amerikanische Immobilienmarkt zusammenbrach und die Finanzmärkte kollabierten. Im Kern geht es bei den CDOs um Geschäfte mit Krediten. Genauer: um Kredite, die beispielsweise eine Bank an Kunden vergibt. Etwa an Menschen, die Häuser bauen, Autos kaufen oder Ähnliches. Aus diesen Krediten machen die Banken handelbare Wertpapiere und versuchen, diese zu verkaufen. Damit diese Wertpapiere sich aber verkaufen lassen, bündeln die Banken ganz verschiedene Kredite in einem Wertpapier. Vor allem deswegen, weil bei einigen Krediten oft unklar ist, wie diese eigentlich zurückgezahlt werden. Das war bei der US-Immobilienkrise so. Weil die Banken auch armen Privathaushalten Immobilienkredite gewährten, waren diese natürlich sehr unsicher. Deswegen bündelten die Banken diese Kredite mit ein paar sicheren. Diese Mischpakete, mit einigen faulen Inhalten, wurden dann so lange weiterverkauft, bis keiner mehr wusste, was eigentlich darin steckt. Als dann die Menschen massenhaft ihre Kredite für ihre Häuser nicht mehr zahlen konnten, flog der Schwindel auf und verursachte vielerorts Milliardenverluste.

TÜV für Finanzmärkte einführen

Seit 2007 steckt die Welt in einer tiefen Finanzkrise. Seitdem wurden unzählige Gipfeltreffen abgehalten und die herrschenden Regierungen haben neue Spiel-regeln für die Finanzmärkte an-
gekündigt. In den Nachrichten werden wir täglich mit komplizierten Begriffen und Abkürzungen
wie Leerverkauf, Hedge-Fonds oder Kreditausfallversicherung (CDS) behelligt, aber das Wesentliche verliert man dabei schnell aus dem Blick: Trotz all der Geschäftigkeit auf G-20- und EU-Ebene hat sich nichts Grundlegendes verändert.
Wer die Finanzmärkte wieder unter demokratische Kontrolle bekommen will, muss den Finanzsektor vom Kopf auf die Füße stellen. Und das ist gar nicht so schwer! Die Politik muss nur endlich einen Grundsatz beher-zigen, der für Autos im Straßen-verkehr oder für Medikamente in der Apotheke längst gilt: Was nicht erlaubt ist, ist verboten! Man darf sich nicht einfach ein Dreirad mit 1000 PS zusammenschrauben und damit im Straßenverkehr herumfahren. Die komplexen Vehikel der Banken sind viel komplizierter und gefährlicher als das, aber grundsätzlich erst mal erlaubt. Warum sollte das so bleiben? Wir fordern einen Finanz-TÜV, der alle Finanzakteure, -instrumente und -praktiken prüft und ihnen nur bei Unbedenklichkeit eine Zulassung erteilt. Ohne Zulassung kein Geschäft, das muss auch endlich für die Finanzmärkte gelten.

Axel Troost ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE