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Wie Widerstand gegen Nazis kriminalisiert wird

erschienen in Clara, Ausgabe 23,

Wer sich Nazis in den Weg stellt, gerät immer häufiger ins Visier der Justiz. 
Vor allem gegen linke Politiker und Aktivisten ermitteln die Behörden und
 kriminalisieren so den Widerstand gegen Nazis.

Die Beteiligung an Anti-Nazi-Protesten hat zahlreiche linke Politikerinnen und Politiker, Aktivistinnen und Aktivisten in den Augen der Justiz zu Kriminellen gemacht. Kürzlich wurde gegen den Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, André Hahn, ein Strafbefehl von 3.000 Euro erlassen. Der Vorwurf: Er habe den Naziaufmarsch in Dresden am 13. Februar 2011 »vereitelt«. Einen Strafbefehl über mehr als 3.400 Euro erhielt kürzlich auch der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow. Ihm wurde vorgeworfen, eine Blockade in Dresden mitinitiiert zu haben. Ebenfalls im Visier der Behörden: die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag Caren Lay und Michael Leutert. Beide hatten an den Protesten gegen den Naziaufmarsch teilgenommen. Union, FDP und SPD hätten den Protest der beiden Abgeordneten schützen können, entschieden sich im Immunitätsausschuss aber dafür, Lay und Leutert die Immunität zu entziehen.
 

Ein anderes Beispiel ist der bekannte Jenaer Jugendpfarrer Lothar König. Seit Jahren engagiert er sich gegen Nazis. Er hatte die Proteste in Dresden mit einem VW-Bus als Lautsprecherwagen unterstützt. Gegen ihn strengten die sächsischen Behörden ein Verfahren wegen »aufwieglerischen Landfriedensbruchs« und der Bildung einer kriminellen Vereinigung an. Der 57-jährige Theologe, so der Vorwurf, sei Mitglied einer »Antifa-Sportgruppe«, die Nazis jage. Etliche andere linke Aktivisten traf derselbe Vorwurf. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurden bundesweit Dutzende von Privatwohnungen und Gebäuden durchsucht – teilweise unter erheblichen Rechtsverstößen.
 

Eine beispiellose Spitzelaktion erfolgte bei den Anti-Nazi-Protesten am 13., 18. und 19. Februar 2011 in Dresden. An diesen Tagen forschte die Polizei die Handydaten (Telefonnummern, Standortdaten, Telefonnummern eingehender und abgehender Anrufe, teilweise Adressen) von Tausenden von Demonstranten aus, von Journalisten, Anwohnern, Politikern und Anwälten, die sich an den Protesten gegen Nazis beteiligten. Hunderttausende Datensätze wurden erhoben, Zehntausende Personen rückten pauschal ins Visier der Fahnder.
 

Dass diese Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands ein Problem für die gesamte demokratische Kultur in der Bundesrepublik ist, stellt auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie in einem Untersuchungsbericht zu den Ereignissen in Dresden fest. Darin heißt es: »Die Bürgerfreiheit zu demonstrieren wird vollends zur Farce, wenn das Damoklesschwert der Beschuldigung schwerer Straftaten über sie gehängt wird.«