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Wettbewerbsfähigkeit über alles?

Von Michael Schlecht, erschienen in Clara, Ausgabe 31,

Mit dieser fatalen Maxime wollen Union und SPD Europa retten

Wettbewerbsfähigkeit über alles, das ist die Leitlinie von Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag. So wollen sie auch die Krise Europas beenden. Aber genau diese Maxime ist es, die Europa letztlich in die jetzige Krise geführt hat.

Um die deutschen Exporte ins Ausland steigern zu können, verordneten SPD und Grüne vor zehn Jahren dem Land eine Radikalkur: Leiharbeit, Minijobs, Werkverträge, Dumpinglöhne und Hartz IV. Die Wirtschaft sollte so Kostenvorteile im internationalen Wettbewerb erhalten – koste es die Menschen hierzulande, was es wolle. Nur zwei Jahre später konnte der damalige Kanzler Schröder (SPD) mit dem größten Niedriglohnsektor Europas prahlen.

Das Lohndumping in Deutschland führte zwar zu Exporterfolgen, zugleich ließ es die Binnennachfrage sinken. Wer wenig verdient, kann wenig konsumieren. Damit öffnete sich eine Schere zwischen Importen und Exporten. Deutschland hat seit dem Jahr 2000 einen Außenhandelsüberschuss von 1,6 Billionen Euro erzielt, knapp die Hälfte davon gegenüber Ländern der Eurozone. Dies konnte und kann das Ausland nur durch Schulden bezahlen, die letztlich auch zu Staatsschulden werden. Das ist ein zentraler Grund für die Verschuldungskrise vor allem der südeuropäischen Länder.

Doch Merkel und SPD fällt dazu nur ein: Die Krisenländer sollen nach deutschem Vorbild wettbewerbsfähig werden. Also wurden ihnen Lohn- und Sozialkürzungen und zusätzlich Massenentlassungen aufgezwungen. Ein Wettbewerbspakt auf europäischer Ebene soll die Lohn- und Sozialkürzungen verstetigen.

Das hat Auswirkungen auf Deutschland. Insbesondere die Südländer der EU haben ihre Importe, damit auch die Importe aus Deutschland, gedrosselt. Der Anteil an den deutschen Ausfuhren sank von 46 Prozent auf nur noch 37 Prozent. Bislang konnte dieser Absturz durch Exporte in Regionen außerhalb der EU ausgeglichen werden. Wird die Radikalkur, insbesondere bei den Löhnen, in den anderen Euroländern fortgesetzt, wird sich ihre Wettbewerbsposition gegenüber Deutschland verbessern. Sobald dann die Weltkonjunktur kränkelt, werden die deutschen Exporte einbrechen und Beschäftigte müssten um ihre Arbeitsplätze fürchten. Es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis Union und SPD hierzulande wieder mehr Wettbewerbsfähigkeit einfordern, Sozialleistungen kürzen und Druck auf Löhne machen – gemäß der Leitlinie: Wettbewerbsfähigkeit über alles.

Notwendig sind vor allem knackige Lohnerhöhungen hier in Deutschland, mit den seit dem Jahr 2000 sinkenden Reallöhnen muss Schluss sein. Und der Staat muss massiv in Infrastruktur investieren, damit Exportprodukte hierzulande eingesetzt werden.

Michael Schlecht ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE