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Wenn ein Kind allein mit Mutter oder Vater lebt

Von Susanna Karawanskij, Jörn Wunderlich, erschienen in Lotta, Ausgabe 10,

Einelternfamilien sind längst Alltag in Deutschland, sie nehmen zahlenmäßig sogar zu. Leben Mütter und Väter ihren Alltag in der Regel selbstbewusst, ist ihre wirtschaftliche Situation dagegen häufig problematisch. Ein Plädoyer für eine faire Familienpolitik.

Die Alleinerziehenden waren zunächst einmal im Bundeshaushalt 2015 nicht vorgesehen. Erst nach Protesten bequemte sich die Bundesregierung, auch für diese Form der Familie Angebote zu machen. Wie sehen die aus? Beraten wurde über das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergelds und des Kinderzuschlags. Das Gesetz sieht vor, rückwirkend zum 1. Januar 2015 das Kindergeld anzuheben. Und zwar monatlich um 4 Euro. Das bedeutet, für das erste und zweite Kind steigt der Betrag auf 188 Euro, für das dritte auf 194 Euro und auf 219 Euro für jedes weitere Kind. Ab nächstes Jahr soll dann eine weitere Erhöhung um 2 Euro in Kraft treten.

Dazu kommt die geplante Anhebung des Entlastungsbetrags für alleinerziehende Familien. Der stagniert seit Jahren, soll nun von 1.308 Euro um 600 Euro auf 1.908 Euro jährlich steigen. Bei jedem weiteren Kind würde der Entlastungbetrag um 240 Euro aufgestockt werden. In der Öffentlichkeit wird das Vorhaben vonseiten der Koalition mit den Schlagworten „Herstellung von Steuergerechtigkeit“ und „Bekämpfung von Armut“ dargestellt.

Dazu muss man wissen, dass die Armutsrisikoquote in Alleinerziehendenhaushalten seit Jahren 40 Prozent beträgt. Wird die Anhebung des Entlastungsbetrags daran etwas ändern? DIE LINKE stellte das Regierungsvorhaben auf den Prüfstand.

Von der Einkommensteuerentlastung kann nur profitieren, wer auch ein Einkommen hat, das zu einer Einkommensteuerzahlung führt. Es muss also über dem ohnehin steuerfreien monatlichen Bruttoeinkommen von 1.069 Euro liegen. Bei einem Monatseinkommen von beispielsweise 1.250 Euro würde eine Mutter mit einem Kind monatlich um 8,50 Euro entlastet werden. Das käme einem Kinobesuch fürs Kind alle zwei Monate gleich, ließe noch ein kleine Portion Popcorn zu. Knapp 40 Prozent der Alleinerziehenden sind ohnehin auf Hartz IV angewiesen. Alarmierend ist die Entwicklung bei der Erwerbstätigkeit Alleinerziehender. Seit dem Jahr 2002 gibt es eine massive Abnahme der Vollzeitbeschäftigung, hingegen nimmt die Teilzeit seit 2005 kontinuierlich zu. Wenn Alleinerziehende in Teilzeit beschäftigt sind, kann der Kinderzuschlag in Anspruch genommen und der Hartz-IV-Bezug somit vermieden werden. Dadurch erhöht sich das Einkommen alleinerziehender Familien. Mit der Erhöhung des Wohngelds im Jahr 2009 wurden sie ebenfalls unterstützt. Negativ auf das Einkommen von Alleinerziehenden wirkt sich dagegen die Streichung des Heizkostenzuschlags seit 2010 und die 2007 beschlossene 100-prozentige Anrechnung des Kindergelds auf den Unterhaltsvorschuss aus. Die Folge: Seit fünf Jahren gehen Alleinerziehende bei jeder Kindergelderhöhung leer aus.

Fazit: Die angekündigte Anhebung des Entlastungsbeitrags holt Alleinerziehende nicht wie versprochen aus der Armut. DIE LINKE will für Einelternfamilien wie für alle Familienformen Lebensbedingungen erreichen, die ein planbares und gutes Leben ohne Zukunftsängste ermöglichen. Dazu ist politisch jedoch eine 180-Grad-Wende nötig.

 

ZITATE

„Es sollten nun endlich Fehler der Großen Koalition von 2007 ausgebügelt werden, indem man beim Unterhaltsvorschuss die Anrechnung des Kindergelds zu 100 Prozent wieder zurücknimmt. Das würde Alleinerziehenden effektiver helfen als eine steuerliche Entlastung. Zudem fordern wir schon lange, dass der Unterhaltsvorschuss entfriste wird. Es ist unerklärlich, warum man nur 72 Monate bis zum 12. Lebensjahr des Kindes Unterhaltsvorschuss erhalten kann, wo doch jeder zweite Elternteil keinen Unterhalt zahlt.“

Jörn Wunderlich, familienpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE

 

„Steuerliche Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die Situation von Alleinerziehenden nachhaltig zu verbessern. Denn sie kommen bei zu wenig Betroffene an. Wir brauchen stattdessen vor allem arbeitsmarkt- und sozialpolitische Instrumente. Dazu gehören die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein verbesserter Kündigungsschutz, gute Teilzeitarbeitsbedingungen und vor allen Dingen eine flächendeckende, gebührenfreie, bedarfs- und altersgerechte Kindertagesbetreuung.“

Susanna Karawanskij, für DIE LINKE Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags

 

Informationskasten

Zahlen und Fakten

• Es gibt in Deutschland 1,6 Millionen Alleinerziehende

 • Einelternfamilien sind neben Lebenspartnerschaften die einzige Familienform, die in

 den vergangenen Jahren zahlenmäßig zugenommen hat

 • Seit 1996 nimmt die Vollzeiterwerbstätigkeit von alleinerziehenden Frauen ab (1996: 41 Prozent/ 2013: 34 Prozent)

 • Die Teilzeiterwerbstätigkeit dagegen stieg massiv an (1996: 21 Prozent/ 2013: 36 Prozent)

 • Circa 40 Prozent der Alleinerziehenden müssen Transferleistungen wie Hartz IV beanspruchen

• Fast zwei Drittel der Alleinerziehenden leben unter der Armutsgrenze

 • 35 Prozent der Alleinerziehenden haben ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.300 Euro

 Mehr Informationen unter

 KA 17/14518 und 18/4789

 Anträge der Fraktion DIE LINKE:

 • Alleinerziehung von Kindern würdigen – Alleinerziehende

 gebührend unterstützen

 • Alleinerziehende entlasten – Unterhaltsvorschuss ausbauen