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Vielerorts explodieren die Mieten

erschienen in Clara, Ausgabe 34,

Daran wird die Mietpreisbremse der Bundesregierung kaum etwas ändern. Das wurde auf einer Konferenz der Fraktion DIE LINKE deutlich.

Lausitzer Straße 8, es ist schon Abend. Fast 1 000 Demonstranten haben sich versammelt, um eine Wohnungsräumung im Herzen Berlin-Kreuzbergs zu verhindern. Zum dritten Mal versucht der Vermieter schon, die Wohnung der Familie Gülbol zu räumen. Beim ersten Versuch verhinderten die Nachbarn die Räumung, beim zweiten sagte der Vermieter sie kurzfristig ab. Doch am 14. Februar 2013 sollte es so weit sein: gesperrte U-Bahn-Stationen und Straßen, Polizeihubschrauber, an den Hauseingängen der Straße etliche Polizeieinheiten.    Trotz eisiger Kälte harren friedliche Demonstranten aus, wollen die Räumung verhindern. Die Polizei versucht, dem Gerichtsvollzieher den Weg zu bahnen, um die Räumung zu vollstrecken. Während ein Pressesprecher der Polizei vor laufender Kamera darüber redet, ob Zwangsmittel eingesetzt worden sind, liegt im Hintergrund ein Demonstrant benommen auf dem Boden. Am Ende bleiben, durch Hamburger Gitter vom Gebäude getrennt, die Demonstranten und der ehemalige Mieter Ali Gülbol zurück. Er freut sich über die gelebte Solidarität und bedankt sich bei allen Sympathisantinnen und Sympathisanten. So endet der bewegende Film „Zwangsräumung um jeden Preis – Widerstand wächst“ von Leftvision.   Sarah Walter von der Initiative „Zwangsräumung verhindern“ präsentierte den Kurzfilm im Rahmen der Konferenz „Was bringt die Mietpreisbremse? Verdrängung und Gentrifizierung stoppen!“ der Fraktion DIE LINKE, die am 15. November 2014 in Berlin stattfand. Der Film zeigt eine Situation, die keine Seltenheit in Städten ist. Zwangsräumungen gehören gerade in Ballungsgebieten zum Tagesgeschäft. Die Stadthistorikerin Katalin Gennburg sagt: „Mittlerweile finden täglich 22 Wohnungsräumungen pro Tag allein in Berlin statt, das sind rund 7 000 im Jahr.“ Es betreffe viele, die Politik müsse aktiv werden.   Aber auf der Konferenz wird deutlich, dass Zwangsräumungen nur die Spitze einer völlig verqueren Wohnungspolitik in Deutschland sind. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind die Mieten in Städten wie Berlin um 56 Prozent, in Augsburg um 51 Prozent und in Kassel und Bremen um 50 Prozent gestiegen. Ein Ausmaß, das die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eingrenzen wollte. Sie beschloss, eine Mietpreisbremse zum 1. Januar 2015 einzuführen. Nun soll sie in der ersten Jahreshälfte 2015 kommen. Der Direktor des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, hob auf der Konferenz hervor, dass durch die zahlreichen Ausnahmeregelungen und die räumliche Begrenzung der Mietpreisbremse schätzungsweise nur zwei bis drei Prozent der Mieter überhaupt von dem Vorhaben profitieren werden.   Zu viele Ausnahmen, zu wenig Wirkung   Denn die Ausnahmen sind erheblich: Neuvermietungen fallen überhaupt nicht unter die Mietpreisbremse, jedes Bundesland kann selbst entscheiden, ob es die Mietpreisbremse einführen will oder nicht. Orientierung für die Höhe des neuen Mietpreises bei Wiedervermietung ist die ortsübliche Miete plus zehn Prozent. In die ortsübliche Miete fallen allerdings nur die Wohnungen, die in den vergangenen vier Jahren wiedervermietet worden sind, und die Wohnungen, die zum ersten Mal vermietet werden und keiner Mietpreisbremse unterliegen. Das hat zur Folge, dass der Preis bei einer Wiedervermietung auch mit der sogenannten Mietpreisbremse doppelt so hoch sein kann wie bei dem Vormieter. Jonas Füllner von der Initiative „Recht auf Stadt“ aus Hamburg erklärt: „So kann es kommen, dass ein Mietpreisbremschen auf dem Papier gut aussieht, aber nichts bewirkt.“   In Städten wie Freiburg, Mainz, Jena oder Frankfurt am Main müssen Familien, die an der Armutsgrenze stehen, über 50 Prozent ihres Haushaltseinkommens dafür aufbringen, ein Dach über dem Kopf zu haben. Deswegen forderte auch Marco Höhne, Referent bei der Konferenz: „Mieträume müssen der Marktlogik entzogen werden. Wohnungen sind Sozial- und kein Wirtschaftsgut.“ Ein Grund, weshalb die Tagung auch auf dem ehemaligen Rotaprint-Gelände stattfand: Schließlich wurde auf dem Gelände mit seinen denkmalgeschützten Gebäuden ein Geschäftsmodell – eine Mischung aus Erbbaurecht und Gemeinnützigkeit – umgesetzt, das die Spekulation mit dem Gelände ausschließt.