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»Viele Leute gehen gegen Rassismus auf die Straße«

erschienen in Klar, Ausgabe 41,

ZSK feiern in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag. Kann man im gesetzteren Alter noch Punk sein?

Joshi: Ich war 13, als wir starteten. Heute bin ich natürlich ein anderer Mensch. Wenn es nur um bunte Haare, saufen und Spaß haben geht, ist man vielleicht kein Punk mehr. Aber diese Musik hat mich zu der Person gemacht, die ich jetzt bin. Das ist ein gutes Gefühl. Deshalb freuen wir uns über die vielen jungen, engagierten Fans bei unseren Konzerten. Die lassen sich nicht alles sagen, hinterfragen und wollen in dieser schlechten Welt etwas zum Guten verändern.

 

Im Song »Punkverrat« macht ihr euch über Reflexe im Punk lustig. Da kann T-Shirt-Verkauf schon Verrat sein. Ist die Szene spießiger, als sie es wahrhaben will?

Alle Zitate in dem Text wurden uns tatsächlich an den Kopf geworfen. Manche Leute wollten, dass wir keinen Eintritt nehmen, CDs und Shirts verschenken. So funktioniert das aber nicht. Den Vorwurf »Punkverrat« find ich lustig, von Leuten, die alles so wahnsinnig ernst nehmen. Es war höchste Zeit, dazu was zu sagen.

 

Ihr engagiert euch schon lange gegen Nazis. Alles vergebens? Heute gibt es mit 3.500 Anschlägen auf Geflüchtete einen traurigen Rekord, Neofaschisten wie der AfD-Mann Höcke finden massenhaft Anhang.

Wir leben in schweren Zeiten. Aber jedes Konzert, bei dem mir Kids erzählen, was sie gegen Nazis tun, gibt Mut. Heute gibt es viel rassistische Stimmungsmache und Anschläge. Aber die Gegenwehr kommt nicht zum Erliegen. Das zeigt eine beschauliche Stadt wie Münster, wo sich 8.000 Leute der AfD in den Weg stellen. Und es wird sich auch beim AfD-Bundesparteitag in Köln zeigen: Viele Menschen haben keinen Bock auf rassistische Hetze. Man darf sich nicht fertig machen lassen von Erfolgen der rechten Arschlöcher.

 

Ihr habt mit »Kein Bock auf Nazis« eine eigene Initiative gegründet. Die ist inzwischen bekannter als die Band.

Ja, die Kampagne ist viel bekannter als wir. Das ist ein Riesenerfolg. Wir machen das ehrenamtlich und investieren viel Zeit und Kraft. Es ist toll, dass sich das auszahlt. Es kommen irrsinnig viele Leute an unsere Stände bei Festivals, decken sich mit Stickern ein und reden mit uns. Und wir können viele Leute aktivieren, auch durch große Bands, die die Kampagne unterstützen. Man sieht: Es ist nicht vergebens. Viele Leute gehen gegen Nazis und Rassismus auf die Straße.

 

Du hast gesagt, es sei völlig okay, wenn junge Leute es erstmal nur cool finden, ein Antifa-Shirt zu tragen, ohne groß darüber nachzudenken. Ist das ein Weg, die rechte »Lufthoheit« zu knacken?

Ja. Einige Leute sagen: »Auf euren Konzerten rufen alle: Nazis raus! Aber da sind gar keine Nazis«. Was soll das? Bei 15 Jahre alten Kids finde ich es völlig in Ordnung, wenn sie ein »Kein Bock auf Nazis«-Shirt kaufen, weil es cool ist, weil vielleicht Die Toten Hosen sagen: Wir finden das gut. Nazis sind Schweine. Man muss sich überlegen: Wie war mein erster Schritt? Niemand schnappt sich zuerst ein Geschichtsbuch und sagt dann: Jetzt engagiere ich mich aber mal.

 

Wie war es bei euch?

Wir sind mit Punkrock aufgewachsen. Da war immer klar: Man ist gegen Nazis und Rassismus. Wenn jemand heute mit einem »Kein Bock auf Nazis«-Shirt in die Schule geht, weil er es cool findet, und ein rechter Schüler macht ihn an, muss er sich positionieren. Sowas zu belächeln, ist arrogant. Es ist völlig okay, so niedrigschwellig anzufangen wie unsere Kampagne.

 

Was ist das Ziel von »Kein Bock auf Nazis«?

Wir wollen denen Mut machen, die sich engagieren. Wir wollen aber auch Jugendliche erreichen, die sich nicht für Politik interessieren. Welche andere linke Kampagne hatte zweimal eine Doppelseite in der BRAVO? Wenn dann Leute »Punkverrat« schreien, sag ich: Halt die Fresse. Damit erreichen wir wahnsinnig viele Kids. Und wenn nur ein Prozent danach sagt: »Nazis, die Leute totschlagen, das ist eine Schweinerei. Da muss man was gegen machen«, hat es sich gelohnt.

Interview: Niels Holger Schmidt