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Verkauft, verschleppt, verraten

erschienen in Querblick, Ausgabe 1,

Opfer von Zwangsprostitution müssen in ihren Rechten gestärkt werden

Sie leben versteckt, können nur selten über ihren Alltag entscheiden und sind deshalb für die meisten Menschen in der bundesdeutschen Gesellschaft unsichtbar. Die ILO (International Labour Organisation) schätzt, dass etwa 15000 Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland leben. Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen, die mit Betroffenen des Menschenhandels arbeiten und sie unterstützen, berichten immer wieder von neuen Fällen. 

Genaue Zahlen kennt niemand, denn viele zur Prostitution gezwungene Frauen werden gar nicht als solche identifiziert und bekommen daher keinen Zugang zu Beratungsangeboten. Eine Ursache liegt in der Fokussierung auf das Strafrecht, das nur die Täterperspektive kennt und nicht den Schutz und die Durchsetzung von Rechtsansprüchen der Opfer sichert. Somit kann ein rein juristischer Zugang Menschenhandel weder vorbeugen noch ihn bekämpfen. 

Häufig sind Opfer physischen und psychologischen Drohungen ausgesetzt. Sie verfügen in der Regel über einen unsicheren oder gar keinen Aufenthaltstitel, ein Umstand, den die Täter mit Erfolg als Druckmittel gegen ihre Opfer einsetzen. So muss eine Opferzeugin fürchten, dass ihr und Angehörigen ihrer Familie Repressalien der Menschenhändler drohen. Nach wie vor dürfen Frauen, die zu einer Aussage bereit sind, nur während der Dauer des Prozesses in der Bundesrepublik bleiben. Denn mit einem Touristenvisum ist ihnen keinerlei Arbeitsaufnahme erlaubt – der Dreh- und Angelpunkt, der dem Menschenhandel erst Tür und Tor öffnet. DIE LINKE. prangert diese Praxis als zutiefst inhuman an und setzt sich dafür ein, dass den Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution ein dauerhaftes Bleiberecht eingeräumt wird, und zwar unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft. Ihren Familien-angehörigen, die häufig auch von den Tätern bedroht werden, muss das Recht auf Nachzug gewährt werden. ?Medizinische Betreuung und die Möglichkeit, eine Therapie aufzunehmen, sind unabdingbar.

Die betroffenen Frauen brauchen das Recht, legal eine Arbeit aufzunehmen oder eine Ausbildung zu absolvieren und so eine neue Perspektive für ihr Leben aufzubauen. Das erhöht die Aussagebereitschaft der Frauen und entzieht den Tätern das Drohpotenzial. Unser Fazit: Strafrechtsverschärfungen, die Stimmen aus CDU und SPD fordern, lösen das Problem nicht. Wir müssen endlich die Rechte der Opfer stärken!
Inga Karbstein