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Verbandsgründung an Karl Marx’ Geburtstag

erschienen in Clara, Ausgabe 4,

Rund 50 Delegierte aus 34 linken Hochschulgruppen haben am 5. Mai 2007 in Frankfurt am Main den Studierendenverband DIE LINKE.SDS gegründet

Hinter dem Podium prangt weiß auf violett das Motto des Kongresses: »Die Verhältnisse zum Tanzen bringen«. Doch niemand tanzt. Sauerstoffmangel lastet auf den etwa sechzig Studierenden und Interessierten, in der Mehrzahl zwischen 20 und 30 Jahren alt. Die Verabschiedung der Geschäftsordnung zieht sich: Es wird über die Quotierung der Arbeitsgremien und über Redezeitbegrenzungen gefachsimpelt; jede Für- erzwingt eine Gegenrede. Kurz vor Mitternacht findet die Geschäftsordnung schließlich eine Mehrheit.

Zur Gründungskonferenz nach Frankfurt am Main hat das Linke.Hochschulgruppennetzwerk eingeladen, ein Zusammenschluss von Hochschulgruppen, die Linkspartei.PDS und WASG nahestehen. An diesem Wochenende soll nun ein Verband entstehen - Programm, Satzung und Vorstand inklusive.

Zum künftigen Programm hat alleine die Rote Hochschulgruppe Chemnitz 28 Änderungsanträge formuliert. Letztlich zahlt sich aber die stoische Disziplin und Entschlossenheit der Delegierten aus: Nach drei Stunden ist man sich bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung einig. Das Programm skizziert das Ideal einer »sozialistischen Hochschulpolitik«, in der »durch selbstbestimmte, kollektiv-demokratische Prozesse« das »Bildungs-ideal der Aufklärung radikalisiert« werden könne.

Kurz vor Mitternacht ist es vollbracht

Am Samstagnachmittag sprengt die Diskussion über den Verbandsnamen die Tagesordnung. Auslöser ist der Vorschlag, den Verband Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband, kurz SDS, zu taufen. Vor rund vierzig Jahren prägte der SDS die westdeutsche 68er-Bewegung. Eine erste Abstimmung verschärft die Konfrontation: Die Gruppe der SDS-Befürworter ist nur unwesentlich größer als die Fraktion der Gegner. Eilig ziehen sich die Lager zu getrennten Beratungen zurück. Das Gerücht von der Spaltung des Verbands macht die Runde.

Den SDS-Sympathisanten schwebt ein Verbandsmodell vor mit allgemeinpolitischem Mandat und einem »Mix aus marxistischer Theorie und aktionsorientierter Praxis«, wie eine Delegierte argumentiert. Kritikerinnen und Kritiker des Namensvorschlags warnen vor der vermeintlichen Idealisierung der 68er-Bewegung; viele von ihnen werben für einen Verband, der sich hauptsächlich mit hochschulpolitischen Themen befasst. Da trotz dieser Differenz Einigkeit herrscht, dass die politische Nähe zur Partei DIE LINKE dem Verband nutzt, findet sich in kleiner Runde schließlich ein Kompromiss.

Um 22 Uhr 57 ist es vollbracht: 26 von 46 Delegierten für den Namen DIE LINKE.SDS. Viele fallen sich in die Arme, einige stimmen Sprechchöre an. Jan Schalauske, vormals [’solid]-Bundessprecher aus Marburg, strahlt: »Die Bemühungen der vergangenen eineinhalb Jahre haben sich gelohnt.« Zufrieden ist auch Wolfgang Gehrcke,
früher SDAJ-Vorsitzender und heute Sprecher für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE.: »Es gibt wieder einen bundesweiten sozialistischen Studierendenverband.« Über das »großartige Ergebnis« freut sich seine Fraktionskollegin Nele Hirsch. »Die Studentinnen und Studenten werden sich gegen den neoliberalen Umbau der Hochschulen wehren«, so die hochschulpolitische Sprecherin.

Bevor die Delegierten Sonntagnachmittag heimreisen, verabreden sie, in diesem Herbst eine Akademie und im nächsten einen Kongress anlässlich des 40-jährigen Jubiläums von 1968 auszurichten. Eine Arbeitsgruppe Bildung und Theorie wird gegründet. Für 2008 ist eine Delegationsreise nach Venezuela geplant. »Wir werden die Hochschulen von links politisieren«, verspricht Julia Meier, angehende Mathematikerin aus Freiburg. Zum Schluss wählen die Delegierten eine Geschäftsführung und einen zehnköpfigen Vorstand. Der konservative Studentenbund RCDS wird am nächsten Tag in einer Pressemitteilung warnen, mit der Gründung von DIE LINKE.SDS erreiche die »Formierung der radikalen Linken an den Universitäten eine neue Dimension.«

Ruben Lehnert