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Strategische Wandlung für neuen Job

erschienen in Querblick, Ausgabe 9,

Nun, den mutmaßlichen Gesetzlosen, Ehud Olmert, erwartet die Anklage, vermutlich wegen Betrugs, Missbrauchs des öffentlichen Vertrauens, vielleicht auch Bestechung. Die Beweise zeichnen das Bild eines dem schönen Leben und der politischen Übertreibung zugetanen Mannes, geben jedoch keinen Hinweis auf tiefer gehende Vorstellungen von finanziellem Segen. Olmert ist nicht über die Korruption gestolpert (sowohl Sharon als auch Arafat haben sich ihre Popularität sehr wohl über mannigfache Korruptionsskandale hinweg bewahrt), sondern weil er Israel seine erste Niederlage im Krieg beschert hat – im Libanon natürlich.

Und nun wurde Tzipi Livni, Spross einer militanten Dynastie, Absolventin geheimer Mossadeinsätze und Protegé Ariel Sharons, zur Vorsitzenden der Regierungspartei in Israel gewählt, und auch sie spricht von Veränderung, von einem neuen Politikverständnis, davon, dem Frieden den Vorrang zu gewähren vor dem Gebietserhalt. Das ist keine Kursänderung; es ist die Bekräftigung der Richtung, die Sharon einschlug und sein Nachfolger Olmert weiterging. Alle drei waren bis vor nicht allzu langer Zeit stramme Verfechter einer »Großisrael«-Ideologie. In die besetzten Gebiete zu investieren war ein Fehler, ein langer und teurer Fehler, sagte Olmert heute morgen in einem Interview nach der Wahl.

Doch können wir darauf zählen, dass Livni das Richtige tut, sich hinsetzt und einen Frieden aushandelt, der für beide Seiten annehmbar ist – eine Zwei-Staaten-Lösung, die Jerusalem als beider Hauptstadt vorsieht, ein gerechtes und umsetzbares Szenario für die palästinensischen Flüchtlinge, eine faire Verteilung der Wasserressourcen, Investitionen in die Entwicklung Palästinas zur Sicherung seiner Lebensfähigkeit?

Tzipi Livni ist weder Mutter Teresa noch der Dalai Lama. Eher erinnert sie an Alfred Nobel, einstmals »Kaufmann des Todes« geheißen für die Erfindung und Kommerzialisierung des Dynamits. Auch Livni diente dem militärischen Establishment in Israel, bis sie es für eine juristische Karriere verließ. Was brachte sie dazu? Der Gerüchte sind viele, doch schweigt sich Livni darüber genauso aus wie über manches andere. Wird sie, wie Nobel, einen Platz in der Geschichte anstreben, indem sie die Jahre der Fortführung der Kriegsmaschinerie wiedergutmacht?

Livni wird auf viele Hindernisse stoßen, als Erstes das Schmieden einer Regierungskoalition mit Partnern, die nicht auf ihrer Seite stehen. Sie wird die tiefsitzenden Existenzängste der Israelis überwinden müssen, die der Friedensprozess heraufbeschwört. Schließlich wird sie beträchtliche Risiken eingehen, die israelischen Kriegstreiber niederringen und sich gegen die Siedler mit deren angedeuteter Androhung eines spalterischen und blutigen Bürgerkriegs behaupten müssen.

Vor zwei Jahren war Livni das einzige Mitglied des israelischen Kabinetts, das sich gegen einen uneingeschränkten Krieg im Libanon aussprach, zu einem Zeitpunkt, als der Taumel der Rache und des Nationalismus die gesamte Nation ergriffen hatte.

Können wir mehr solchen politischen und moralischen Mut erwarten? Dürfen wir uns wirklich der Hoffnung hingeben? Oder wird es erneut ein weiteres gutes Jahr für den Bestatter?
Gila Svirsky, Israel